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Gleich bist du tot

Titel: Gleich bist du tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain McDowall
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eingeladen, in Boden Hall zu wohnen, aber Nick und ein paar von den anderen hatten nicht recht gewollt. Wenn eine neue, erfolgshungrige Band vor allem für ihre Verbindung zu einer Rocklegende bekannt war (oder einem Rockdinosaurier, je nachdem, von welchem Standpunkt aus man es betrachtete), baute man entweder voll darauf oder spielte es möglichst herunter. Bis jetzt hatte Alice Banned einen Mittelweg beschritten, der im Grunde niemandem gefiel und niemandem half. Nick listete die Reihenfolge der ersten sechs Songs auf. January murmelte ihre Gleichgültigkeit ins Telefon:
    »Yeah, okay, wie auch immer, bis dann.«
    Sie nahm ihren Gitarrenkasten und ging den langen Flur hinunter, der ins Haupthaus hinüberführte. Das heute war sowieso nur ein Aufwärmkonzert, dachte sie, und nicht Teil ihrer offiziellen Tour. Dennoch hatten sie vor Ort und im Internet kräftig die Mund-zu-Mund-Propaganda angeheizt. Der Auftritt würde die größte Sache sein, die der »Wynarth Arms« seit langer Zeit erlebt hatte, da bestand kein Zweifel, und wenigstens eine Journalistin aus London wollte mit im Publikum sein. Etwas anderes, das Nick Kopfschmerzen bereitete, war ein Gerücht, das durch die Chatrooms geisterte und besagte, dass Januarys Dad einen Gastauftritt plante und es damit endlich auch auf englischem Boden zu einem der sagenhaften Vater-Tochter-Gigs käme. Sie sagte ihm, da bestehe keine Chance, keine Gefahr, dazu werde es mit Sicherheit nicht kommen. Aber Nick machte sich dennoch Sorgen.
    Dad und Kelly hatten es sich am Hallenpool bequem gemacht. Dad konnte da Stunden verbringen, bewegte sich hundepaddelnd durchs Wasser und führte dann wieder eines seiner endlosen Telefonate mit seinen Geschäftspartnern. Im Augenblick ruhte er bäuchlings auf einer der bequemen Liegen, und Kelly trocknete ihm mit einem rosa Handtuch den Rücken. January fand Kelly okay. Dunkelhaarig und heimatlos. Weitgehend ununterscheidbar von ihren Vorgängerinnen, allerdings hielt January sie für etwas klüger und verständiger, als sie sich gab. Etwa ein halbes Jahr waren die beiden jetzt zusammen. Nach Januarys Rechnung bedeutete das, dass sie noch mal anderthalb Jahre hatten, bis es Kelly so gehen würde wie allen anderen. Wenn sie versprach, den Boulevardblättern gegenüber den Mund zu halten, würde sie ein hübsches Sümmchen auf ein Konto ihrer Wahl überwiesen bekommen, und wenn sie dann beim Sachenpacken auch noch lieb lächelte, würde er ihr wahrscheinlich auch das Auto und den Schmuck lassen. January grinste unverbindlich zu den beiden hinüber, als sie an ihnen vorbeikam.
    »Hals- und Beinbruch«, rief Dad ihr ermutigend zu, hob ein Glas in die Höhe und winkte.
    Er ist schon wieder bei den abendlichen Brandys, dachte January. Das war eins von den Dingen, an denen er arbeitete, seit er wieder nach England gezogen war. Keinen Brandy mehr zu trinken. Bis jetzt hatte January allerdings kaum etwas davon gemerkt. Kelly ließ ihren Dad einen Augenblick allein, kam zu ihr herüber und hielt ein Armband an Januarys freie Hand. Dünne, bunte zusammengebundene Stoffstreifen. January ließ es sich von ihr übers Handgelenk schieben, wobei sie genau wusste, dass sie es abnehmen würde, bevor sie auf die Bühne ging. Kelly sagte, das Band bringe Glück, und sie habe es in einem der New-Age-Läden in Wynarth gekauft: Die Mönche von Dharamsala oder so würden die Dinger produzieren.
    »Danke, Kelly«, sagte January und wollte eigentlich nur weiter.
    Kelly fragte sie, ob sie nach dem Konzert zurück nach Boden Hall komme oder mit dem Rest der Band die Nacht im »Riverside Hotel« durchmachen werde.
    »He, wir sind Alice Banned und nicht Spinal Tab«, antwortete January lachend. »Wahrscheinlich trinke ich noch was, entspanne ein bisschen und komme dann nach Hause.«
    Perry fuhr den Mercedes ganz die Auffahrt herauf. Er bot ihr an, die Gitarre zu nehmen, aber January bestand darauf, sie selbst in den Kofferraum zu legen. Perry war auch okay und würde sicher noch viel länger als Kelly bleiben. Perry war 1,90 Meter groß, hatte ein breites Kreuz, war ein Ex-SAS-Mann und früher mal auf irgendeiner unbedeutenden Privatschule gewesen. Auf welcher, wusste January nicht mehr. Er war nicht einfach nur ein Gorilla. Er bot Halt, zahlte Schmiergeld, brachte Dinge in Ordnung und ebnete alle möglichen Wege. Wo Dad war, da war auch Perry. Kümmerte sich um Geschäftliches, wendete Probleme ab und hielt allen Ärger fern. Sie hatte mit Dad darüber gestritten. Die

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