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Gleich bist du tot

Titel: Gleich bist du tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain McDowall
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sie ihm die Möglichkeit bot, neue Beta-Software-Versionen auszuprobieren, die er über Kontakte zu einschlägigen Freaks und Forschungslabors akquirierte. Allerdings beantwortete schon der erste Blick durch die Tür Kerrs Frage.
    »Kein Glück bisher, Steve?«, fragte Kerr dennoch.
    »Nein, Mr Kerr, aber ich versuche es weiter.«
    Kerr nickte ermutigend. Wahrscheinlich waren die Kennzeichen sowieso nicht nur unlesbar, sondern auch gefälscht. Aber er wusste aus Erfahrung, dass es das Beste war, Hortons Begeisterung nicht zu dämpfen. Selbst wenn er einer falschen Spur folgte, produzierte Horton oft Ergebnisse, die ihnen weiterhalfen. Hortons Hauptanstrengung bestand im Moment darin, den elektronischen Weg zurückzuverfolgen, den die Bande benutzt hatte, um ihre Videos zu versenden. Offenbar trat er da ebenfalls auf der Stelle. Um weiterzukommen, benötigte er Zugang zu den Protokollen russischer Server, aber nur die ICU hatte die erforderlichen Befugnisse, um sich mit den entsprechenden Kollegen in Moskau kurzzuschließen. Die ICU war die Internet Crime Unit, eine Spezialistentruppe, die Teil des NCIS, des National Criminal Intelligence Service, gewesen war, bis der von der großen neuen Supereinheit, der SOCA oder Serious Organized Crimes Agency, geschluckt wurde. Wenn du weiterkommen willst, besorg dir das richtige Kürzel, alter Junge, sagte Jacobson immer. Greg Salter hatte Horton für seinen Verantwortungsbereich grünes Licht gegeben, und jetzt konnte Horton nur darauf warten, dass die ICU die entsprechenden Daten besorgte und sie dann tatsächlich auch an ihn weiterleitete.
    Kerr nahm die Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Es war zehn nach sieben, und nichts konnte ihn davon abhalten, für ein Stündchen nach Hause zu fahren, seiner Frau beim Baden der Zwillinge zu helfen und vielleicht eine Kleinigkeit zu essen. Er nahm die alte Straße hinaus nach Wynarth und schob The Fall in den CD-Spieler: ›Live at The Witch Trials‹, eine von einer Handvoll CDs, die er neulich, ohne groß zu überlegen, mit ins Auto genommen hatte, zu müde und in zu großer Eile, um eine sorgfältigere Auswahl zu treffen. Der John-Lee-Hooker-Sampler war eindeutig die Beste der CDs gewesen, aber mittlerweile hatte er ihn so oft gespielt, dass er vorerst genug davon hatte. Als ›Rebellious Jukebox‹ kam, drehte Kerr die Lautstärke auf. Er hatte ›Live at The Witch Trials‹ bestimmt seit zehn Jahren nicht mehr gehört. Es war Cathys Lieblingsmusik gewesen, als sie sich kennenlernten – bei einem Auftritt von The Fall. Er sah ihr Bild immer noch vor sich, wie sie an jenem Abend ausgesehen hatte, konnte immer noch ihre plötzliche, unmittelbare gegenseitige Anziehung spüren. Gelacht hatten sie, sich angestrahlt und in der wilden Menge gegenseitig mit Bier beschüttet. Das alles schien in einem ganz anderen Leben gewesen zu sein: vor den Kindern, vor ihrem Haus in Bovis und vor seiner langen (und intensiven) Affäre mit Rachel. Bevor der Ernst des Lebens, wie manche Leute es nannten, über sie hereingebrochen war. Als er die Abfahrt nach Bovis erreichte, spielte er im Kopf das Spielchen, das er immer spielte, wenn er in dieser Stimmung war, wurde langsamer, setzte sogar den Blinker, aber dann war da kein Verkehr hinter oder vor ihm, und nichts konnte ihn davon abhalten, aufs Gas zu treten, den Blinker wieder auszuschalten und geradeaus weiterzupreschen. In weniger als einer Viertelstunde war er in Wynarth, fuhr um den Markt und fand einen Parkplatz. Er trank eine Flasche Beck’s in der Lounge-Bar des »Wynarth Arms« und eine zweite in der »Wine Bar« nicht weit davon entfernt. In beiden Lokalen war wenig Betrieb, und er blieb nicht lange. Der Pub würde in einer guten Stunde voller werden, schließlich gab es heute die Überraschungsband. Es würden sogar ein paar Beamte der Operation Icarus kommen, einfach auf gut Glück. Eine von Rachels Freundinnen, sie hieß Judy, saß mit einer anderen, Kerr unbekannten Frau in der »Wine Bar«. Sie hatte ihn nicht hereinkommen sehen, da war Kerr sicher, und wann immer er einen Blick in ihre Richtung warf, sah sie direkt durch ihn hindurch. Als wäre er nicht da. Der orientalische Kunsthandwerksladen, in dem Rachel von Zeit zu Zeit aushalf, wenn sie Geld brauchte, lag am Ende der kleinen Gasse, die direkt neben der »Wine Bar« von der Straße abzweigte. Der Laden würde um diese Zeit zweifellos geschlossen sein, und so riskierte Kerr einen Blick, als er wieder draußen stand. Das

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