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Gleich bist du tot

Titel: Gleich bist du tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain McDowall
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schlecht beleuchteten Treppenabsatz auf die breite, uralte Treppe zu. Der Denkmalschutz war ein echtes Leiden, wenn man sich ein wenig zeitgemäße Offenheit und Licht in seiner heimischen Umgebung wünschte. Er hatte einen Architekten darangesetzt, sich mit dem Problem zu beschäftigen: nach Wegen zu suchen, wie sich das Gemäuer entdüstern ließ, ohne den britischen Denkmalschützern einen Herzinfarkt zu bescheren. Auf dem Weg zum Pool stieß er auf Birgit. Sie trug ein Frühstückstablett mit Kaffee, Orangensaft, Brot, Croissants, Marmelade und Honig, allerdings noch keinen Eiern »Benedikt«. Sie war groß, wie es Holländerinnen manchmal sind, und auf ihre eigene Weise umwerfend. Er hatte zwei-, dreimal drüber nachgedacht, ob er was mit ihr anfangen sollte, sich dann aber von dem Gedanken verabschiedet. Das hätte zu viele zusätzliche Komplikationen bedeutet, und im Moment war er mit Kelly auch so glücklich. Die Leute, die sagten, dass man im Alter weiser würde, waren allesamt Narren. Das Einzige war, dass man es langsamer angehen und sich von den unzähligen Möglichkeiten des Lebens nicht mehr so verrückt machen ließ.
    Kelly saß bereits am Tisch neben dem Pool und kaute sich energisch durch eine Schüssel Früchtemüsli. Die beiden Pools, der draußen und dieser hier drinnen, waren vom letzten Eigentümer gebaut worden, der ein gieriger Idiot gewesen sein musste, aber wenigstens diese eine Schlacht mit dem Amt für Denkmalschutz gewonnen und so seiner Nachkommenschaft etwas Lohnenswertes hinterlassen hatte. Birgit stellte ihr Tablett ab.
    »Letzte Nacht hat es auf dem Weg hierher einen ziemlichen Aufruhr gegeben, John«, sagte sie in ihrem makellosen Englisch.
    »Birgit dachte schon, sie würde die ganze Nacht da draußen feststecken«, fügte Kelly hinzu, die offenbar die Geschichte bereits kannte.
    John Shepherd setzte sich, griff nach einem Glas Orangensaft und erinnerte sich dunkel, dass Birgit gestern ihren freien Tag gehabt und ihren Freund in Birmingham besucht hatte, der da so was wie ein Doktorand an der Uni war.
    »Die Polizei war da, Feuerwehr, alles«, sagte Birgit. »Beinahe hätte es einen richtigen, ernsten Waldbrand gegeben, glaube ich. Ich musste denen sagen, wer ich bin und wohin ich wollte.«
    »Um wie viel Uhr war das, Schätzchen?«, fragte Shepherd.
    »Gegen halb vier. Der Polizist sagte, es seien ein paar Autos in Brand gesteckt worden. Aber die mussten sie bereits weggeschafft haben, bevor ich kam.«
    Normalerweise blieb sie die ganze Nacht, dachte Shepherd, und kam erst im Morgengrauen mit ihrem kleinen Clio zurück. Ob die beiden sich gestritten hatten? Nicht, dass es ihn etwas angehen würde.
    »Sie meinen, mit Absicht?«, fragte er.
    Birgit stellte die letzten Teile vom Tablett auf den Tisch.
    »Ich glaube schon. Vielleicht. January hat womöglich auch was gesehen.«
    Shepherd stellte das Glas zurück auf den Tisch. January! Er hatte völlig vergessen, dass sie hier war und einen Auftritt gehabt hatte. Er überlegte, ob er sie in ihrem Zimmer anrufen und fragen sollte, wie es gegangen sei. Aber dann dachte er, dass sie womöglich noch gefeiert hatten und sie es ihm nicht unbedingt danken würde, wenn er sie so früh schon weckte. Er brach das Ende von einem Croissant ab. Das würde ihm genügen, bis Birgit mit den Eiern kam. Nein, er wollte January in Ruhe lassen und wenigstens warten, bis er fertig gefrühstückt hatte.
     
    Das Erste, was Perry spürte, als er wieder zu sich kam, war, wie unerträglich kalt sich sein Körper anfühlte. Als würde er innerlich zu Eis. Die einzige Ausnahme machten seine Arme, in denen er so gut wie kein Gefühl mehr hatte, wahrscheinlich wegen der Handschellen und weil sie ihn so fest an den Baum gebunden hatten. Aber wenigstens hatten sie seine Beine nicht gefesselt. Langsam und unter Qualen versuchte er erst das eine, dann das andere zu heben und auszustrecken und so das Gefühl der Erstarrung loszuwerden. Sein Kopf schmerzte so sehr, dass er es nicht ertrug, ihn zu bewegen oder anzuheben. Auf seinem Hemd waren dunkle Flecken. Blut, nahm er an (und vielleicht hatte er sich auch übergeben), aber dann musste er die Augen auch schon wieder schließen, da der Schmerz hinter seiner Stirn sonst nicht zu ertragen war. Dazu kam, dass er, wann immer er den Kopf auch nur leicht anhob oder die Augen öffnete, neben dem stechenden Schmerz die Illusion plötzlicher Bewegung verspürte, so als fiele er in eine endlose Tiefe, und sich sein Magen zu

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