Gleich bist du tot
drehen begann. Er war bewusstlos geschlagen worden, erinnerte er sich, hatte wahrscheinlich eine schwere Gehirnerschütterung und verlor immer wieder die Besinnung.
Es kostete ihn große Mühe, in dem Teil seines Bewusstseins zu bleiben, wo das, was er durchmachte, nur das Objekt seiner Aufmerksamkeit war und nicht dessen gesamter Inhalt. Mühsam begann er, die Abfolge der Ereignisse zusammenzustückeln, und erkannte gleich, wo er seinen Fehler gemacht hatte, seinen peinlichen, elementaren Fehler. Der Kerl, der den zweiten BMW ins Heck des Mercedes gerammt hatte, war natürlich nicht allein gewesen. Wie hätte er das auch sein können? Perry hätte nach seinen Komplizen Ausschau halten müssen, nachdem er den ersten Wagen überprüft hatte, der leer gewesen war. Aber stattdessen hatte er den Blick vom Ball genommen, um sich zu überzeugen, dass mit January alles in Ordnung war und sie keine bösen Verletzungen davongetragen hatte. Bruchteile von Sekunden hatte das gedauert, mehr nicht, auf jeder Art Schlachtfeld sind aber solche kurzen Momente alles, was ein aufmerksamer Gegner braucht.
Er hob den Kopf wieder, öffnete die Augen und verfluchte den Schmerz. Um ihn herum waren nur Bäume zu sehen. Sie mussten weiter von der Straße weggegangen sein, als er zunächst gedacht hatte. Hoch in einer nahen Buche hörte er das sorglose Lied einer Amsel. Sie waren alle weg. Natürlich waren sie das. Hatten sich aus dem Staub gemacht, waren verschwunden. Er sammelte alle Kraft, die er in seinen Lungen finden konnte.
»January!«
Seine Stimme klang schwach, hörte sich kaum wie seine Stimme an, und er bekam keine Antwort.
Sie mussten sie wieder losgebunden und mitgenommen haben, nachdem sie ihn ausgeschaltet hatten. Sie hatten sie entführt. Wie Amateure waren sie ihm vorgekommen, aber sie hatten ihn geschlagen, ihn, den sogenannten Profi. Zweifellos. Er schloss die Augen, hielt den Kopf diesmal aber oben. Es war mittlerweile ziemlich hell, selbst unter dem Blätterdach der Bäume. Draußen auf der Straße war es wahrscheinlich taghell. Er musste also schon seit Stunden hier sitzen. Wie lange genau, war unmöglich zu sagen. Die Amsel beschrieb einen Bogen über ihn hinweg und flog davon. Das Gefühl der Kälte wurde schlimmer, und er begann heftig zu zittern, wenigstens mit den Teilen seines Körpers, die sich bewegen ließen. Er musste sich unbedingt befreien oder Hilfe holen, solange sein Verstand noch arbeitete. Um diese Jahreszeit konnte er den ganzen Tag hier sitzen, oder gleich mehrere Tage, ohne dass jemand auch nur in die Nähe kam. Es sei denn, jemand suchte nach ihm. Er hatte keine Ahnung, was passiert war, nachdem sie ihn ausgeschaltet hatten. Wenn sie erfolgreich ihre Spuren verwischt und January mitgenommen hatten, würde niemand wissen, wo er anfangen sollte zu suchen. Er dachte an die Notlagen, in die er in Bosnien und im Irak geraten war. Notlagen, wegen derer er Formulare hatte unterschreiben müssen. Schweigebefehle. Fast musste er lachen, dass sein Leben nun womöglich hier enden sollte, gefesselt an die Rinde einer treuen, alten englischen Eiche in einem englischen Wald.
24
Brady, Annabel, Maria und Adrian saßen zusammen am Frühstückstisch. Das kam selten genug vor. Noch seltener war, dass Annabel das Frühstück hatte machen müssen. Maria hatte die Mission gerettet, wie Brady sagte, und wenn es eigentlich auch keine Belohnung für sie war, wenn es nicht das war, was sie sich wünschte, hatte er sie für den Morgen doch von allen häuslichen Pflichten entbunden. Um den Erfolg der letzten Nacht zu feiern, tranken sie zu Speck und Eiern eine Flasche Champagner. Bis auf Brady, versteht sich.
Bradys verletzte Hand war das Einzige, was auf die Stimmung drückte. Sobald sie den Tatort spurentechnisch untersucht hätten, würden sie Bradys DNA haben, sie würde gespeichert werden, öffentlich bekannt und abrufbar sein.
Annabel kam noch einmal darauf zu sprechen, als sie ihm seine zweite Tasse Tee machte.
»Nicht genug Milch«, beschwerte er sich, bevor er ihr antwortete.
» Tschuldigu-hung . Es ist schließlich nicht mein Fehler, wenn du deiner Sklavin freigibst«, sagte Annabel, schenkte ihm aber dennoch etwas Milch nach.
Brady betrachtete die Tasse, als wäre der Tee eine Prüfung, die sie gerade absolviert hatte.
»Damit haben sie mich in ihrem Computer, stimmt. Aber wir sind bei denen nicht registriert. Auch in Coventry mussten wir verduften, bevor wir alles säubern konnten, richtig? Genau
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