Gleichklang der Herzen
Adrian Halliday sucht“, sagte er. „Sie hat ihn gern. Früher dachte ich sogar manchmal, dass sich mehr aus dieser Beziehung entwickeln könnte. Schließlich hatte sie nach ihm geschickt und nicht nach mir, als sie den Zigeunern entkommen war.“
„Ravella hat Adrian Halliday so gern, wie man einen Bruder liebt“, sagte Lady Harriette. „In ihrem Leben hat es nie einen anderen Mann als dich gegeben, Sebastian, und das weißt du genau.“
In Lynke wurde der Herzog enttäuscht. Adrian Halliday hatte nichts von Ravella gehört, und sie war dort nicht eingetroffen.
Die beiden Männer saßen zusammen und redeten bis in den frühen Morgen hinein. Sie fanden jedoch keine Lösung für die Frage, wo Ravella sich verbergen könnte.
Miss Primington von der Akademie in Mildew war sehr erstaunt und angenehm überrascht, als der Herzog sie am nächsten Morgen aufsuchte. Sie lächelte und war voller Huld, als sie ihn empfing, aber sie konnte ihm auch nicht helfen. Sie konnte Seine Gnaden nur davon unterrichten, dass Ravella nicht zur Schule gekommen sei und Miss Primington auch nicht um eine Anstellung gebeten hätte.
Als der Herzog nach Lynke zurückfuhr, war er unfähig, an irgendetwas anderes als an Ravella zu denken. Adrian Halliday wartete schon auf ihn.
Der Herzog hatte seinem Verwalter nichts von dem persönlichen Interesse erzählt, das er für Ravella hegte, sondern sich nur auf die Sorge um das Wohlergehen seines Mündels berufen. Adrian wäre aber in der Tat blind gewesen, wenn er nicht die Angst vom Gesicht des Herzogs abgelesen und das Fehlen seiner üblichen gelangweilten Pose bemerkt hätte. Der Herzog war völlig von einer Spannung beherrscht, die ihm sogar den Appetit und die Lust auf ein Glas Wein nahm.
„Wo kann sie nur sein?“, fragte er. Aus seiner Stimme sprach solche Verzweiflung, dass Adrian ihn erstaunt ansah.
„Wie gern würde ich es Ihnen beantworten, Euer Gnaden. Ich habe mir den ganzen Tag lang den Kopf darüber zerbrochen.“
„Denken Sie weiter darüber nach“, sagte der Herzog und ging unruhig im Salon auf und ab.
„Stellen Sie sich einmal vor, Sie seien in der gleichen Lage, Sie würden aus Melcombe-Haus weglaufen und das Land läge in seiner ganzen Länge und Breite vor Ihnen. Da wäre London mit seinen belebten Straßen und zahllosen Schlupfwinkeln. Wohin würden Sie gehen?“
„Nach Hause“, sagte Adrian schlicht, „allerdings wäre es für mich eine andere Sache als für Ravella.“
Er brach ab, denn der Herzog hatte einen Einfall.
„Natürlich! Warum habe ich nicht früher daran gedacht. Jeder würde nach Hause gehen, auch Ravella. Ich bin sicher, dass sie es getan hat.“
„Aber soweit ich im Bilde bin, hat sie kein Zuhause“, sagte Adrian schüchtern.
„Nicht im eigentlichen Sinn des Wortes, aber einer der Diener, der schon bei ihrem Vater in Dienst gestanden hatte, lebt noch in der Nachbarschaft ihres ehemaligen Heims. Sie hat oft von ihm gesprochen, aber unaufmerksam wie ich war, habe ich kaum zugehört. Ad… Adam, das war der Name! Sagen Sie Bescheid, dass man mir sofort ein Pferd sattelt.“
„Jetzt, Euer Gnaden? Es ist spät.“
„Ich werde die Nacht hindurchreiten.“
„Soll ein Reitknecht Sie begleiten?“
„Nein, ich werde sehr schnell reiten. Sagen Sie, dass ich das Pferd in zehn Minuten brauche. Ich will mich nur noch kurz umziehen.“
Die Nacht war sternenklar, sodass der Herzog seinen Weg nicht im Dunkeln zurücklegte. Als die aufgehende Sonne vor ihm in der Ferne die Hügel von Wales anstrahlte, dachte er an Ravellas schönes Haar. Das blasse Gold der Sonne, die langsam die verdämmernde Morgenröte vertrieb, hatte dieselbe Farbe wie Ravellas Locken.
Das Pferd des Herzogs war ermüdet, aber sein Araberblut verlieh ihm Ausdauer, während ein Pferd minderer Rasse zusammengebrochen wäre. Auch der Herzog hielt sich gut. Als er sich beim ersten Gasthof, auf den er traf, aus dem Sattel schwang, zeigte er kein Zeichen von Ermüdung. Er befahl einem herbeieilenden Stallknecht, das Pferd abzureiben und es zu füttern.
Als er sich gewaschen und gefrühstückt hatte, fragte er nach dem Weg. Jetzt musste er langsamer reiten. Es war fast Mittag, als er zu dem kleinen Dorf kam, das sich am Fuß eines Berges ins Tal schmiegte. Im Gasthof hatte er erfahren, dass der ehemalige Angestellte des Hauptmanns Shane ein kleines Haus am äußersten Ende des Dorfes besaß. Der Herzog ritt sofort dorthin.
Als er das Haus mit der von Geißblatt umrankten Tür
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