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Gleitflug

Gleitflug

Titel: Gleitflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Gine Goemans
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sie. Tiere sind klug. Meine Eltern hasse ich, aber sie kapieren es nicht. Egal, wie oft ich es ihnen sage. Sind einfach zu blöd. Sie kommen übrigens heut Abend.«
    »Deine Eltern? Zu uns?« Vor Schreck nahm er einen zu großen Schluck Kaffee.
    »Ja«, sagte sie und zupfte an ihren Dreadlocks. »Sie kommen, aber ich verreck lieber auf der Stelle, als wieder nach Hause zu gehn. Meine Mutter glaubt, dein Vater und Onkel Fred wären Schwule.«
    »Mein Vater schwul?« Die Idee war so absurd, dass er losprustete und sich an dem Kaffee verschluckte. »Fred ist sein Bruder! Sein Zwillingsbruder!«, brachte er hustend heraus.
    »Ja, weiß ich. Aber meine Mutter ist so debil, die denkt, das wär erfunden.«
    In den nächsten Stunden konnte er sich nicht von Meikes Anblick losreißen. Er gab eine Tischtennisvorstellung mit Wallie, aber obwohl die kleine Gans in Topform war – ihr Aufschlag war fast schon perfekt –, achtete er kaum auf sie, sondern schaute ständig Meike an. Sie saß mit angezogenen Beinen im Gras, rauchte und beobachtete wie in Trance seine und Wallies Bewegungen. Sie hörte nicht einmal mehr die Flugzeuge. Nach zwanzig Minuten hatte Wallie genug und flatterte unbeholfen vom Tisch. Ihr erster Flugversuch entging ihm vollkommen. Er sah nur noch Meike.
    Sie fragte, ob sie zu der Vorstellung mitkommen könne. »Klar«, sagte er und hoffte mit aller Kraft, dass sie in der nächsten Woche noch hier sein würde.
    Nach dem Tischtennis wollte sie sein Zimmer sehen. Während sie ihm die Treppe hinauf folgte, dachte er fieberhaft darüber nach, ob bei ihm irgendetwas Verräterisches herumlag. Er vertraute ihr. Aber bei seinen Plänen legte er Wert auf absolute Geheimhaltung.
    »Ach du Scheiße. Total vermüllt.« Vorsichtig stieg sie über die herumliegenden Hosen, Shirts und Schulbücher, als wären es Landminen. Das Waschbecken war noch mit Ruß von der letzten Vogelverbrennung verschmiert. Neben dem Bett lag das Gänsespielbrett mit der Startbahn aus Malerkrepp, der blauen und der gelben Gans und den Kamerastecknadeln. Er trat es unters Bett, aber Meike hatte es gar nicht bemerkt. Sie stand schon am Dachfenster und öffnete es. Glücklicherweise hatte er am Morgen das Brett mit dem Trainingsplan umgedreht. Er ging zum Schreibtisch, um den PC auszuschalten. Super Waling hatte ihm eine Mail geschickt. »Betreff: die Schwarzbunten meiner Mutter.«
    Meike lehnte sich weit aus dem Fenster, genau wie früher Toon und er, wenn sie mit der Schleuder irgendwelche Sachen in Richtung Bahn schossen.
    »Du bist hier echt nah dran!«, schrie sie und schaute einer startenden Maschine nach. Sie musste sich dafür auf die Zehenspitzen stellen. Ihr T-Shirt kroch ein Stück hoch. Er starrte auf die Unterhose mit dem Muster aus rosa Herzchen. Ihr schneeweißer Bauch wölbte sich ein wenig, wie aufgehender Brotteig. Gieles warf sich aufs Bett, damit sie nichts von seiner Latte merkte.
    Benommen hob er ein Buch vom Boden auf und blätterte darin, während er nach ihrem Hintern schielte. Er war klein und fest. Gieles presste seinen Unterleib auf die Matratze, so fest er konnte, in der Hoffnung, dass sein Körper sich wieder beruhigte.
    Meike winkte wild den Flugzeugen zu, ihr T-Shirt kletterte immer höher. »Können die mich sehen?«, rief sie. Ihre Dreadlocks und ihre Brüste wippten.
    »Ich glaub schon.« Seine Stimme zitterte. Er versuchte mit aller Macht, sich auf den Text zu konzentrieren, aber die Buchstaben schwankten und fielen um. Ohne es zu wollen, bekam er einen Orgasmus, dabei hatte er sich nicht einmal berührt.
    »Mein Gott«, seufzte sie. »Es ist tierisch heiß hier drin.«
    Sie hatte recht. Die warme Luft aus dem ganzen Haus sammelte sich unter dem Dach, es war wie in einer Sauna.
    »Wo ist das Badezimmer?«
    »Im ersten Stock«, piepste Gieles und legte sein erhitztes Gesicht in die Hände, damit sie es nicht sah.
    Sie kicherte. Ihm brach der Schweiß aus.
    »Deine Haare. Süß. Siehst aus wie ein Igel.« Sie lachte und verschwand nach unten.

22
    Ihre Eltern kamen gleichzeitig mit Willem Slob an. Sie fuhren hinter seinem Dienstwagen her. Es war halb acht, und Onkel Fred, Gieles und Meike waren gerade mit dem Essen fertig. Meike war immer stiller geworden. Sie hatte die Hälfte des Nasi Goreng stehen lassen und fummelte ununterbrochen an ihrem schwarzen Halsband herum. Niemand hatte ein Wort über ihre wilde Aufmachung verloren: ein schwarzes Kleid, behängt mit mindestens einem Kilo Ketten und Schlössern. In ihrer

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