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Gleitflug

Gleitflug

Titel: Gleitflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Gine Goemans
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Augenbraue steckte ein schwerer Ring.
    Gieles wurde nervös, als er die Autos hörte. Er befürchtete einen Rüffel von seinem Vater wegen der Briefträgergeschichte. Sicherheitshalber hatte er die aggressive Gans schon in die Scheune gesperrt.
    Onkel Fred ging klickklackend zur Haustür. Gieles folgte ihm, während Meike mit ihren Ketten und ihrem Groll in der Küche sitzen blieb. Lieber hätte sich Gieles in sein Zimmer verzogen. Dann hätte er endlich Super Walings Mail über die Ursachen seiner Verfettung lesen können.
    Willem Slob stand als Erster neben seinem Wagen, müde und gereizt. Die brütenden Heringsmöwen im Hangar bereiteten ihm einen Haufen Ärger.
    Nun stiegen Meikes Eltern aus ihrem Volvo. Sie waren tatsächlich klein, aber nicht zwergenhaft, wie Meike behauptet hatte. Für den Zirkus sahen sie viel zu normal aus, sogar neben den langen Brüdern Slob. Die Erwachsenen stellten sich vor, und dann war Gieles an der Reihe. Meikes Mutter drückte ihm kräftig die Hand und schaute ihm fest in die Augen.
    »Angeliek Nooteboom«, sagte sie. Sie hatte die gleichen aquariengrünen Augen wie ihre Tochter, nur dass ihr rotwangiges Gesicht von der Sonne gebräunt war.
    Auch der Vater reichte ihm die Hand. »Hallo, Gieles. Ich bin Hannie.« Über seinem Sweatshirtkragen hüpfte der Adamsapfel.
    Angelieks Oberkörper verschwand im Wagen, sie hob eine Kiste vom Rücksitz. »Rotbeeren«, sagte sie unsicher.
    Sie hatte Arme wie ein Bodybuilder, sah Gieles.
    »Erstklassige Erdbeeren. Heute Morgen gepflückt«, erklärte Hannie, dem es anscheinend keine Mühe machte, sprachlich umzuschalten.
    »Sie sehen wunderbar aus«, meinte Onkel Fred. Angeliek wollte ihm die Kiste reichen, begriff dann aber, dass er sie wegen seiner Krücke nicht nehmen konnte, und drückte sie schnell Willem in die Hände. Auf ihrer weißen Bluse blieb ein roter Fleck zurück. Sie bemerkte es nicht. Mit offenem Mund schaute sie zu einer landenden Frachtmaschine hinauf. Auch Meikes Vater beobachtete das Flugzeug. Er stand wie angenagelt, und je näher es kam, desto kleiner schien der Erdbeerbauer zu werden. Der Kopf sank zwischen die Schultern, die braunen Wangen wurden grau und feucht. Der Angstschweiß brach ihm aus sämtlichen Poren.
    »Alles in Ordnung, Hannie?«, fragte Onkel Fred, als der Donner verklungen war, und legte Meikes Vater freundschaftlich die Hand auf den Unterarm. Er konnte auch Fremden das Gefühl geben, dass man sich schon seit Jahren kannte.
    »Ruhig, Hannie«, sagte Angeliek beschwichtigend zu ihrem Mann. »Du sitzt nicht da herinnen.«
    Hannie holte ein Taschentuch hervor. Während er sich den Schweiß abwischte, atmete er langsam und tief ein und aus. »Eins, zwei, drei«, zählte er.
    »Er ist noch nie geflogen, hat aber Angst.«
    Liebevoll streichelte sie ihrem Mann über den Rücken.
    »Ich kann nichts dagegen machen. Die Angst nimmt mich«, er presste die Hände an den Kopf, »völlig in Besitz.«
    »Dagegen ist niemand gefeit«, sagte Fred tröstend. »Sogar manche Piloten leiden plötzlich unter Flugangst. Dann wagen sie sich von einem Tag auf den anderen nicht mehr in die Luft. Stimmt doch, Willem?«
    Sein Bruder murmelte etwas, er vermied es, den Erdbeerbauern anzusehen. Er hatte immer noch die Kiste in den Händen. An den Erdbeeren labte sich inzwischen eine Wespe.
    Hannie blickte ängstlich dem nächsten Flugzeug entgegen.
    »Kaffee?«, fragte Onkel Fred. Er nahm Hannie am Arm und zog ihn ins Haus.
    Gieles ging gleich in die Küche, aber Meike war nicht da. Im ersten Moment dachte er, sie hätte sich wieder davongemacht, aber dann sah er dünne Rauchschwaden am Fenster vorbeiziehen. Die Schritte seines Vaters näherten sich. Willem stellte die Kiste auf den Küchentisch und schien sich in den Anblick der Erdbeeren zu vertiefen.
    »Gieles.« So sprach er sonst nur Ellens Namen aus. Wenn er sagte: »Ellen, so kann es wirklich nicht weitergehen.« Meistens gelobte sie dann Besserung. »Gut, ich werde öfter zu Hause sein.« Ein Versprechen, das sie nach ein paar Monaten wieder brach.
    »Das mit dem Briefträger heute Morgen. Sein Vorgesetzter hat angerufen. Solange es hier so gefährlich ist, wird die Post nicht mehr zugestellt. Der Vogel muss weg. Er ist gemeingefährlich.«
    »Es ist eine Sie.«
    »Okay. Sie muss weg. So schnell wie möglich.«
    Ohne Gieles anzusehen, ging er zu der Arbeitsplatte, auf der ein Tablett mit dem Kaffee stand. Fred hatte alles vorbereitet.
    »Und ich möchte, dass du und Meike jetzt

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