Glencoe - Historischer Roman
Fenster drang weniger Hässlichkeit von draußen; er war kein bisschen prunkvoll, nur sauber, nett und still. So wie sie selbst, befand Mary. Sie wollte keine Fremden, die den Frieden ihres Raumes aufstörten, sie wollte diese kurze Erholung für sich allein, wie damals, als sie sich mit dem Puppenhaus die endlosen einsamen Stunden vertrieben hatte.
Dass sie dennoch gestört wurde, war empörend. Hatte sie selbst auf dieses wenige kein Recht? Der Störenfried, ein Diener Williams, verbeugte sich lächerlich tief. »Euer Gnaden, der König ist bereit zur Abfahrt nach Chester. Er wünscht, von Euch Abschied zu nehmen.«
War nicht William in diesen Monaten gekommen und gegangen, wie er wollte, ohne ihr eine Nachricht zu gönnen? Weshalb bestand er ausgerechnet jetzt auf einem Abschied, und wo überhaupt war dieses Chester?
Im Schlepptau des Dieners tauchte Burnet auf. »Hoheit? Wollt Ihr mir folgen?«
Welcher Hohn, dass man sie fragte, was sie wollte!
Die Reihe von Wagen und Reitern wartete reisefertig am Tor. Vor dem königlichen Gefährt stand William in einer Halbrüstung, für die er die Statur nicht besaß, und einem Spitzenkragen, der zu viel Aufmerksamkeit auf seine kümmerlichen Schultern lenkte. Neben ihm warteten Bentinck und der Herr von Argyll. William gab sich keine Mühe, den untröstlichen Gatten zu spielen: »Wie Ihr seht, steht unser Aufbruch bevor«, sagte er knapp. »Ich reise nach Chester, von wo ich mich nach Irland einschiffen werde, um mein Heer gegen jenen Herrn zu führen, den ich meinen Schwiegervater nennen muss. Euch gemahne ich an die Aufgabe, von deren Übertragung wir vor Kurzem sprachen.« Unwillig warf er den Kopf auf, während Argyll Mary mit einem kleinen, süffisanten Lächeln zunickte.
Mary scherte sich jedoch nicht um ihn, sondern wandte sich an ihren Gemahl: »Ich bin mir nicht bewusst, wovon die Rede ist.«
»Von Schottland.« William verengte die Augen zu Schlitzen.»Wir haben den Rebellen in dieser Wildnis nicht nur eine vernichtende Niederlage beigebracht, sondern bereits Maßnahmen für die Zukunft ergriffen, um deren Umsetzung der Herr von Argyll sich kümmern wird. Er reist nach Inverness. Ich habe mich durchgerungen, Rebellen Pardon zu gewähren, wenn sie ihre Waffen niederlegen. Für die Unbelehrbaren aber, die es vorziehen, solche Gnade auszuschlagen, darf es kein mildes Urteil geben. Unser Standpunkt ist mithin klar. Von Euch erwarte ich, dass Ihr in diesem Sinne tätig werdet, sollte es zu Zwischenfällen kommen.«
Argylls Diener flüsterte seinem Herrn etwas zu, worauf dieser höchst ungehalten etwas in einer Sprache erwiderte, die so grässlich war, dass Mary sich die Ohren zuhielt. Als sie sie wieder freigab, hatte sich William Argyll zugewandt: »Ich denke, das Problem dieser Leute ist, dass sie sich um uns zu viel scheren, wohingegen wir uns um sie überhaupt nicht scheren. Sie sollten sich mit dem König abfinden, der ihnen vorgesetzt wird, denn dem einen sind sie so gleichgültig wie dem anderen.« Mit einem wissenden Zug um den Mund, der Mary zuwider war, wandte er sich an sie: »Lasst Euch alles gut gedeihen, meine Liebe. Wir verlassen uns auf Euch.«
Damit bestieg er mit Bentincks Hilfe seinen Wagen. Argyll nahm ebenfalls Abschied, und binnen Kurzem verschwand der Zug in einer Staubwolke.
Mit dem gebotenen Takt berührte Burnet Mary am Arm. »Wünschen Hoheit, dass ich Euch in Eure Gemächer geleite?«
Mary folgte ihm lustlos und erschöpft. In ihrem Morgenzimmer ließ sie sich aufs Tagesbett sinken und sandte ihr Mädchen um Erfrischungen. Burnet wartete in der Tür auf den Befehl, sich zurückzuziehen, doch ihr Bedürfnis, allein zu sein, war verflogen. Diese Flut von Zimmern hatte mit ihrem Puppenhaus nichts gemein, von der Unberührtheit jener Welt im Kleinen war hier nichts zu spüren. Zudem hatte ihr Puppenhaus eine Kinderstube besessen, wie ihre Schwester Anne sie hatte. In Annes Kinderstube krabbelte der kleine William, des Königs Patensohn, vermutlich munter umher – oder gingen Kinder von einem Jahr gar schon auf ihren Füßen? In Kensington House aber würde, solange Mary darin lebte, keine Kinderstube gebraucht.
»Burnet«, sagte sie müde, nachdem das Mädchen ein Tablett gebracht und sich entfernt hatte. »Diese schaurige Sprache, derer der Herr von Argyll sich bediente – war das Gälisch, wie sie es in Schottland sprechen?«
»Ja, Hoheit«, antwortete Burnet.
Mary aß zwei kleine Pralinen, um Mut zu fassen. »Sagt etwas
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