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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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darin«, befahl sie dann. »Sagt etwas auf Gälisch.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich bedaure. Ich spreche diese Sprache nicht.«
    »Aber Ihr seid Schotte!«
    »Ich bin Tiefländer«, erwiderte er mit einem Ton in der Stimme, den sie an ihm nicht kannte. »Von den Hochländern unterscheidet uns nicht nur die Sprache, nein, wir gehören einer gänzlich anderen Rasse an.«
    »Mithin ist Euch gleichgültig, was mit jener anderen Rasse geschieht? Wenn es, wie der König sagt, zu ›Zwischenfällen‹ kommt – zu welcher Entscheidung ratet Ihr mir?«
    »Ihr seid meine Königin.« Für diese Schlichtheit schätzte sie ihn. »Ich wünsche, dass Ihr zu Eurem Besten entscheidet. In den Köpfen Eurer Untertanen sind die Stuarts ein schottisches Königsgeschlecht.«
    »Aber«, fuhr ihm Mary in die Rede, weil es ihr auf einmal eingefallen war, »mein Vater mochte diese Hochländer gar nicht, er nannte sie stinkendes Gesindel, Räuber und Diebe, Mörder und Totschläger.«
    »Derer er heuer dringend bedarf«, murmelte Burnet mehr zu sich selbst, ehe er die Stimme wieder hob: »Aber wie dem auch sei: Euch würde man ein hartes Vorgehen in Schottland als Grausamkeit am eigenen Blut anlasten, während man Eurem Gatten womöglich Beifall klatschte. Für das Volk sind Schottland und die Stuarts eins. Ließet Ihr zu, dass es kein Schottland mehr gäbe, so gäbe es auch keine Stuarts mehr.«

5
    Die Schwarze Garnison
    Von Inverness nach Inverlochy, Juli 1690
    Wann er begonnen hatte, sich in Schottlands Berge zurückzusehnen, wusste John Hill nicht genau. Auch den Grund jener Sehnsucht zu erklären wäre ihm schwergefallen. Das Land war schroff und unwegsam, als wünsche es, den Besucher abzuweisen. Der Reisewagen, der ihn in Inverness abgeholt hatte, holperte über felsigen Boden, dass Hill jeden Knochen im Leib spürte, und die feuchte Kälte, die durch die Ritzen kroch, ließ an einen Tag im späten Herbst denken, nicht an blühenden Juli. Nichts Liebliches war an dem Land, nichts, das einem Mann das Herz wärmte. Aber vielleicht sehnte sich ein Mann ja grundsätzlich nicht nach dem Ort zurück, der ihn am wärmsten empfangen, sondern nach dem, an dem er seine größte Herausforderung bestanden hatte.
    Hill war damals jung und auf dem Zenit seiner Kräfte gewesen, er hatte einer Sache gedient, an die er glaubte, als mustergültiger Gouverneur seines Lord Protectors, ohne Genius, aber ebenso ohne Tadel. Als er begonnen hatte, bettelnde Briefe zu schreiben, man möge ihn aus Irland abberufen und ihm erneut einen Posten in Schottland anvertrauen – hatte etwas in ihm sich erhofft, er werde wieder jung sein und noch einmal voll Kraft? Jetzt, wo er nach Schottland zurückkehrte, war John Hill siebzig Jahre alt und schwach auf der Brust, aber er musste weiterdienen, um für seine zwei ledigen Töchter zu sorgen; die Sache, an die er geglaubt hatte, war längst wie sein Lord Protector zu Staub zerfallen.
    Und doch war Lochaber unverändert; auch wenn sonst alles verändert war, noch immer brachen die Berge nach jeder Biegung aus dem Boden und schoben der Sicht ihren Riegel vor. Als er den ersten Milan über dem weißen Himmel kreisen sah, siegte die Freude in seinem Herzen über alle Zweifel: Er würde seine Garnison zurückerhalten. Sobald die Anlage hergerichtet war, wäre er kein bettelnder Niemand mehr, sondern erneut Gouverneur von Inverlochy.
    Von den drei Männern, die den Wagen mit ihm teilten, waren ihm zwei von damals in Erinnerung: die Herren von Breadalbane und Argyll. Sie waren zu seiner Zeit noch grün hinter den Ohren gewesen; der erste wartete darauf, das Erbe seines Vaters anzutreten, und der bedauernswerte zweite, Sohn eines geköpften Verräters, musste seinen Namen erst reinwaschen und sich den Platz erkämpfen, um den sein Vorfahr ihn gebracht hatte. Argyll war ein begabter junger Mann gewesen, besann sich Hill, wenn auch geschlagen mit dem fiebrigen Jähzorn seiner Linie, den im Zaum zu halten er hatte lernen müssen. Wenn Hill den gereiften Argyll betrachtete, so schien ihm sicher, dass er es gelernt hatte. Trotz der mühsamen Reise wirkte der Mann wie aus dem Ei gepellt, dazu gelassen und aufgeräumt.
    Breadalbane hingegen legte das Selbstbewusstsein an den Tag, das ihm damals am kurzen Zügel seines Vaters gefehlt hatte, und kleidete sich wie ein Pfau. Er redete reichlich und pries seine Pläne noch immer wie eine Marktfrau, die alten Fisch feilbot. Der dritte im Bunde, der Tiefländer Dalrymple, war zu Hills

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