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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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Männer wickelten sich in ihre Plaids und legten sich nieder. Sandy Og hätte in das Zelt kriechen sollen, das er mit Lochiel teilte, aber er war auf einmal so erschöpft, dass er sich wie die anderen zu Boden gleiten ließ, sein Plaid um sich zog und gleich darauf spürte, wie der Schlaf ihn in die Arme zog. Ehe er sich hineinschmiegte und seine Qualen vergaß, entwarf er den Brief, den er seiner Frau schreiben wollte: Sarah, Sarah, dass du einen Besseren willst, ist herzlos, denn mag es auch tausend Bessere geben, kein Mann im Hochland hatte je für eine Frau so viel Liebe wie dieser Kerl, der dir nicht gut genug ist, für dich.
    Als er erwachte, als fremde Hände ihn aus pechschwarzem Wasser rissen, war Krieg. Der Boden bebte. Donnerschläge peitschten durch die bodenlose Schwärze der Nacht. Sandy Og konnte die Augen nicht öffnen, sie waren wie mit Pech verklebt, in seinem Schädel wurden Kanonen abgefeuert, undseine Zunge steckte ihm geschwollen im Hals. Er fror erbärmlich.
    Sein Kopf wurde gepackt und zurückgeschleudert, dann umklammerte der Angreifer seine Schultern und zerrte ihn in die Höhe. »Stehst du jetzt auf, du Idiot?« Sandy Og rappelte sich auf, doch kaum stand er schwankend auf zitterndem Boden, bekam er eine Ohrfeige, die ihn um ein Haar wieder niedergestreckt hätte. Er schmeckte Blut und wachte auf. Er hatte keinen Wimpernschlag Zeit zu begreifen.
    »Auf den Gaul! Los, auf den Gaul!«
    Es war noch nicht hell, aber auch nicht mehr Nacht. Durch wirbelnde Morgennebel raste eine Front aus Reitern auf sie zu, im Galopp, der die Erde umpflügte. Wie Lochiel befürchtet hatte, waren Thomas Livingstones Dragoner in der Nacht über Ballachastell gekommen und hatten die Wachposten an den Furten überrannt, so wie sie jetzt das schlafende Lager überrennen und niedertrampeln würden. Jeder Versuch, sie abzuwehren, wäre lachhaft gewesen; es blieb nur noch die Flucht. Wenigstens für ein paar Glückliche.
    Lochiel rannte ihm voraus, Sandy Og preschte an ihm vorbei, und mit dem nächsten Satz sprangen beide ihren Pferden auf die sattellosen Rücken. Mit Hacken und Zügelenden trieben sie die Tiere aus dem Stand in Trab, dann in Galopp, sprengten kreuz und quer zwischen erloschenen Feuern und schlaftrunkenen Männern hindurch und brüllten, schlugen und traten nach allem, was nicht in Bewegung war. Geschrei hob an und hörte nicht wieder auf. Sandy Og sah zwei Männer mit wehenden Hemdzipfeln aus einem Zelt fliehen. Ein dritter schoss ihnen den Weg zu den Pferden frei, auf die sie sich warfen, um wie Gespenster durchs Morgengrau davonzujagen. Aus einem anderen Zelt floh ein Mann, dessen schneeweißer Hintern in der Düsternis leuchtete.
    Etwas pfiff an ihm vorbei. Sandy Og warf den Arm in die Höhe, damit es ihm den nicht wegriss, glaubte, nach der anderen Seite vom Pferd geschleudert zu werden, konnte sich aber in der Mähne fangen. Den Schmerz, den er über seiner Hüfte spürte, betäubte im nächsten Herzschlag die Geschwindigkeit. »Weg hier!«, brüllte Lochiel, und als Sandy Og dem Schecken keine Hilfen gab, griff er ihm in den Zügel, riss das Tier herum und trat ihm in die Flanke. »Wenn wir bis Tom an Uird kommen, schaffen wir’s!«
    Das Donnern des Hufschlags übertönte das Getöse und hallte in Sandy Ogs Schädel wider. Der Ritt war endlos, und das war ein Segen. Reiten, reiten, reiten, nichts spüren als Schmerz. Sandy Og sah nur ab und an das glitzernde Band des Flusses aufblitzen und neben sich den Kopf von Lochiels Rappen. Als sie den Hang von Tom an Uird erreichten, war die Sonne aufgegangen, aber das Tal lag noch immer im Nebel. Ein Stück dahinter musste Ballindalloch liegen, eine Festung in jacobitischer Hand. Von dort können wir Hilfe bekommen, um die Verwundeten zu versorgen, begann Sandy Og zu hoffen.
    Sobald die Reiter nicht mehr mit aller Härte trieben, verlangsamte sich die Gangart der Pferde. Nach kurzem Anstieg bildete der Hügel eine Welle, über deren Kamm hinweg sich die schweißbedeckten Tiere kämpften, doch damit hatten sie ihr Letztes gegeben.
    Ihre Reiter erlaubten ihnen anzuhalten und ließen sich ins Gras gleiten. Die Erschöpfung, die Folgen der Sauferei und der Schrecken schienen Sandy Og jeglicher Kraft zu berauben. Er wollte sich aufrichten, weitergehen, vermochte aber nur zu kriechen. »Wo willst du hin?«, rief ihm Lochiel unter Keuchen hinterher.
    »Nach Ballindalloch«, stieß Sandy Og heraus. »Hilfe holen.«
    »Leg dich hin.« Auf allen vieren kam Lochiel

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