Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
Vom Netzwerk:
Wollt Ihr mein Wort darauf nehmen?«
    »Gewiss nicht«, erwiderte Rob und spuckte aus. »Was wäre Euer Wort schon wert?«
    »Nichts. Ihr habt recht.« Sandy Og stand auf. »Verlasst Euch dennoch darauf. Wir kommen nach Achallader. Gute Nacht.« Er hielt Rob die Hand hin und beugte den Rücken.
    Rob schlug nicht ein. »Ich bitte Euch um einen letzten Gefallen.«
    »Ja?«
    »Mir täten eine Kerze und Schreibzeug not. Ich habe heute Nacht noch meinen Bericht abzufassen.«

    Der Brief brannte Sarah unter dem Hemd. Sie hatte noch nie einen Brief bekommen, es war ihr schwergefallen, ihn zu lesen, und hernach wusste sie nicht, wo sie ihn aufbewahren sollte. Sie hätte ihn ins Feuer werfen müssen. Jede Zeile schien Gift zu enthalten, und sie fühlte sich wie eine Verräterin, wenn sie an Sandy Og dachte. Ihr täppischer, zärtlicher Sandy Og, der am Abend des Besuchs ein finsteres Gesicht gezogen und den wilden Mann gespielt hatte, sodass sie zu ihm hatte laufen wollen, um ihm den Kragen zu richten und die Stirn glatt zu streicheln. Wie konnte sie ihm den Brief verschweigen? An jenem Abend hätte sie ihn gerne an sich gezogen und ihm ins Ohr geflüstert, er solle aufhören, sich so albern zu betragen, sie wünschte, der Onkel ginge und ließe sie mit ihm allein.
    An dir lieb ist mir, dass ich manchmal über dich lachen muss! Dich ein wenig auslachen wie damals, als du versucht hast, in mein Fenster zu klettern. An dir lieb ist mir, dass ich dich, wenn ich lachen muss, packen und nehmen und nicht loslassen will.
    Sie waren verrückt, Sandy Og und sie. Sie waren seit Jahren verheiratet und schleppten in jedem Jahr ihren Karren auf den Black Mount. Sie hatten geschwiegen und gestritten, Tote betrauert und Kinder gemacht, sie hatten Angst und erzähltensich Lügen, und doch wagten sie jetzt, derweil sie Seite an Seite den Karren zogen, kaum, einander anzusehen, so verliebt waren sie. Es war Frühling in Glencoe, es würde Sommer sein, und immer häufiger wünschte sich Sarah, dass das Schlimme, das kommen musste, sich aufschieben ließe.
    Gestern, zu Beltane, hatte sie Sandy Og ihren Bannock gegeben. Er war ihr schlechter gelungen als je, sie hatte Angst, war aber entschlossen, es dieses Mal mit ihm durchzustehen. Sandy Og hatte das Gebäck jedoch kurzerhand entzweigebrochen, sich eine Hälfte in den Mund gestopft und ihr mit vollen Backen beteuert: »Das ist zum essen, Sarah. Zu anderem brauchen wir’s nicht. Komm, lass uns John und Eiblin beklatschen, ja?«
    An dir lieb ist mir, dass du wächst – unmerklich langsam, aber manchmal in Sprüngen.
    Er hielt ihr die zweite Hälfte hin wie damals den Kuchen im Haus ihrer Großmutter, aber da Sarah restlos satt war, verschlang er alles selbst. Sie küsste ihm die Krumen von den Lippen und schwor sich, den Brief in dieser Nacht zu vernichten.
    Warum hatte sie es nicht getan? Als sie Sandy Ogs Schenkel neben sich spürte, langte sie rasch hinüber und gab ihm einen Klaps. Aber es war nicht recht, ihn mit Liebkosungen abzuspeisen, solange der Verräterbrief ihr ein Loch ins Hemd brannte. Flüchtig vermochte sie sich einzureden, sie habe den Brief behalten, weil sie ihn Sandy Og zeigen wollte. Betraf die Warnung nicht sie beide? Wünschte sie nicht, dass sie einander alles sagten? Den anderen mag es genügen, mit ihren Männern wie mit Gästen zu leben, ich aber will die sein, bei der du zu Hause bist. Warum also hatte sie den Brief verborgen, kaum dass sie ihn in ihren Kleidern gefunden hatte? Warum hatte sie ihn im Geheimen gelesen, als habe sie vor, ihren Mann zu betrügen?
    Sie erreichten die Siedlung, in der sie den Sommer verbringen würden, und Sandy Og machte sich daran, die Hütte herzurichten. Er ging schneller zu Werke, als sie es von ihm kannte,und obwohl er die Arbeit mehrmals unterbrach, um sie zu umarmen, erschien er ihr zerstreut und angespannt, als wisse er von dem Brief und lauere auf ihr Geständnis. Wenn Sarah in Sandy Ogs Armen lag, waren sie einen Herzschlag lang wie die Paare vor den übrigen Hütten, die sich auf einen langen Sommer freuten und von der Wolke, die über ihnen hing, nichts ahnten. Dennoch schob sie ihn von sich, damit er das Knistern unter ihrem Hemd nicht bemerkte. Nachdem sie ihn dreimal weggestoßen hatte, kam er nicht mehr zu ihr, sondern fuhr fort, mit übertriebenem Aufwand Nägel in den Türstock zu hämmern. Er tat ihr so leid, und sie tat sich auch leid.
    Endlich ging sie zu ihm. Sie hielt einen Schritt Abstand, als brauche der Brief

Weitere Kostenlose Bücher