Glencoe - Historischer Roman
musste er dem Verhassten lassen: Sein Wein war herrlich, und Robs Becher blieb nie leer. Der Becher – gehämmerter Zinn mit eleganten Monogrammen – stammte aus Chesthill, und Rob schloss die Hände um das Gefäß, wie um es zu trösten.
»Meine Morag hat sich schlafen gelegt«, verkündete der MacIain, als er den letzten Tropfen aus dem Krug schüttete. »Ich schicke mein Töchterchen nach mehr Wein.«
Das Mädchen, das kurz darauf mit einem frischen Krug erschien, verschlug Rob den Atem. »Ja, meine Ceana«, rief der MacIain, »die wärmt selbst alten Zauseln wie uns das Herz.«
Robs Töchter waren der Mutter nachgeraten, vom Liebreiz des Vaters fehlte ihnen jede Spur. Dieses Geschöpf hingegenähnelte weder ihrem Felsblock von Vater noch ihrer Eiche von Mutter, sondern musste an einem köstlichen Frühlingstag der Erde entsprungen sein. Jeder Mann, dem ein solches Wesen vor Augen kam, hätte Sarah sofort vergessen sollen. Sie war vollkommen: Ihr Körper war der einer voll erblühten Frau, doch ihr Wesen von der Sprödheit einer ungepflückten Rose. Der MacIain strich über ihr glänzendes Haar. »Mein Lämmchen, mein Kleinod. Ich hätte sie längst verheiraten sollen, aber der Gedanke, ein Kerl könnte grob mit ihr sein, bringt mich um.«
Vor Empörung musste Rob husten. Was der Mann tat, war schändlich – das Mädchen unverheiratet lassen, weil es ihm als Zierde seines Hauses gefiel. Der MacIain herrschte in seinem Schattental offensichtlich als Meister über Leben und Tod und verleibte sich ein, was ihm schmeckte. Die schöne Tochter und der zierliche Becher waren nur zwei von etlichen schuldlosen Zeugen.
Jäh fühlte Rob sich müde. Er spielte die Runde zu Ende und brach auf, nachdem er den Becher noch einmal liebevoll gestreichelt und einen letzten Blick auf die Schöne geworfen hatte. Die ist dein Kleinod? Und sie ist Sandy Ogs Schwester? Der Wunsch, sie zu schänden, grob mit ihr zu sein, ließ ihn schaudern. Kaum stolperte er jedoch in die Kälte der Nacht hinaus, hätte er Ceanas Gesicht schon nicht mehr beschreiben können. Stattdessen sah er Sarah vor sich. Lag sie in den Armen des Viehs? Nahm er sie mit derselben Barbarei, mit der er arglosen Zierrat zerdrosch?
In Robs Schädel zerstoben Sterne zu Funken. Ja, er wollte dieser Sippe Leid antun, wollte ihnen ihr süßes Hätschelkind zerbrechen, wie sie ihm so viel zerbrochen hatten, aber er wollte nicht Sarah verletzen, seine Blutsverwandte, eines der Kinder von Meggernie. Wie sie hausen musste, dauerte ihn. Sie hätte Kleider aus Seide und Schmuck haben sollen, vor allem jedoch einen Mann, der empfindsam mit ihr umging, sich gesittet kleidete und die Härten des Lebens von ihr fernhielt. In den paar Augenblicken, während er schwankend durch die Nacht zog, liebte er Sarah mehr als seine Töchter und war entschlossen, sie ihrem Schicksal zu entreißen.
Er hatte erwartet, das Haus schlafend zu finden und sich in die Kammer schleichen zu müssen, in der Sarah ihm ein Lager aufgeschlagen hatte. Stattdessen flackerte Licht hinter den trüben Scheiben, und als er die Tür aufschob, sah er Sandy Og vor Krug und Kerze am Tisch sitzen. Ohne jede Scham saß er da, die Beine breit, die Schultern gebeugt – wahrlich mehr Tier als Mensch. »Ich habe auf Euch gewartet«, sagte er. »Wollt Ihr Euch setzen?«
»Ich bin sehr müde. Wenn Ihr gestattet, ginge ich gern zu Bett.«
»Ich kann nicht so reden wie Ihr«, erwiderte der Kerl, ohne auf seine Worte einzugehen. Er rutschte auf dem Schemel herum und stützte die Hände auf die kräftigen Schenkel; an seinen entblößten Unterarmen traten Adern und Sehnen hervor. »Ich bitte Euch auch nicht um Verzeihung, weil ich denke, es ist nicht recht. Für etwas, das nicht gutzumachen ist, kann man ja nicht Verzeihung verlangen. Nur eins will ich Euch sagen.«
»Was?«
»Ihr könnt dem Herrn von Breadalbane melden, dass Ihr Euren Auftrag erfüllt habt. Wir kommen nach Achallader.«
Als ihre Blicke sich kreuzten, sah Rob, dass Sandy Ogs Augen, die er für braun gehalten hatte, blau waren. Sie waren das Einzige an ihm, das nicht tierisch wirkte. »Euer Vater hat die Einladung abgewiesen«, versetzte Rob. »Ich glaube kaum, dass Ihr darüber zu entscheiden habt.« Ihr beide, du und dein Bruder, mögt Schultern wie Ackerpflüge haben, aber glaubt ihr, ich weiß nicht, dass ihr unter der Knute des Alten zu Hosenscheißern schrumpft und kuscht?
»Nein«, erwiderte der andere ruhig, »aber ich sorge dafür.
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