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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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Sommernacht.
    »Wir bleiben noch drei Wochen hier, bevor wir gehen.«
    »Wer ist wir?«
    »Mein Vater. Und John. Und ich.«
    »Und wohin geht ihr?«
    »Nach Achallader.«
    War es nicht das, was sie hatte hören wollen? Hatte er nicht ihretwegen vor aller Augen Ceana stehen lassen? Sie wünschte, sie hätte nicht getrunken. Warum flackerten Sandy Ogs Augen vor Furcht, wo er doch standgehalten, das Unglaubliche vollbracht und seinen Vater überzeugt hatte? »Bereust du es?«, fragte sie.
    Er sagte nichts, schüttelte auch nicht den Kopf und streckte nicht die Hand nach ihr.
    »Hat dein Vater dir eingeredet, es sei falsch, nach Achallader zu gehen und einen Waffenstillstand auszuhandeln? Du und ich, wir wissen doch, dass kein Mann aus Glencoe die nächste Schlacht überlebt.«
    Sandy Og räusperte sich. »Es ist richtig«, sagte er dann mit noch immer belegter Kehle. »Wir gehen nach Achallader.«
    Sie hob die Hand an sein Gesicht. Warum quälte er sich? Warum brannte ihm die Wange? Der Brief im Pfeffersack fiel ihr ein. Sie hätte den teuren Pfeffer hingegeben, wenn der Brief dabei vernichtet worden wäre. Aber Sandy Og wusste ja nichts von dem Brief und würde nie etwas wissen, weil sie das zerknitterte Papier am Morgen ins Feuer für die Milchsuppe werfen würde.
    »Willst du tanzen?«, fragte er.
    »Das kannst du doch nicht.«
    Ehe sie sich’s versah, griff er ihr ins Haar und zerriss mit einem wütenden Ratschen ihr Tuch. »Nein, das kann ich nicht, wie so vieles, aber du wirst damit vorliebnehmen müssen.«
    Seine Hand umspannte ihr Gelenk und zog sie mit. Nach ein paar Schritten wollte sie ihm sagen, dass es schön war, mit ihm zu tanzen, unerwartet schön, doch da hörte er schon auf und schob sie weiter zum Wein. Hastig trank er einen Becher und ging dann mit ihr heim, sprach nicht mit ihr, aber liebte sie sehr.

    Mit dem Licht, das den Tag brachte, schälte sich das schwarze Bergmassiv aus den Morgennebeln. Der MacIain sah diesem Zauber gern zu. Als er jung gewesen war, hatte er für so etwas keine Zeit gehabt, aber jetzt schien es ihm, als erschaffe eine gewaltige göttliche Hand seine Heimat in jeder Frühe neu. Er warkein frommer Mann; die Kapelle auf der Eilean Munde war ihm zu eng und roch nach Tod, die Messe dauerte so lange, dass es ihn am ganzen Leib juckte, und was der Priester schwatzte, verstand man höchstens mit einem Viertelfass Whisky im Blut. Auch Gebete lagen ihm nicht, denn ein Mann sollte keinen brauchen, der seine Angelegenheiten für ihn regelte.
    An diesem Morgen betete er trotzdem. Was er von seinem Gott verlangte, vermochte er so genau nicht zu sagen. Nur dass Glencoe noch Glencoe ist, wenn ich wiederkomme. Dann ging er. Auf dem Joch wartete sein Gefolge mit den Pferden, seinem Grauschimmel, dem schönen Goldfuchs aus Glenlyon, den nun John ritt, und Sandy Ogs Schecken; dazu kamen Big Hendersons Gaul und die Mähre, auf deren Rücken Ranald geschnallt war. Sooft das alte Skelett sich aus dem Tal entfernte, erfasste den MacIain Beklommenheit, denn der Tod saß ihm schon hinter dem Sattel, und wenn der unterwegs zuschlug, würde es schwer werden, den Leichnam zurückzuschaffen. Aber ich hab’s dir gelobt. Wenn du stirbst, begrabe ich dich auf der Eilean Munde. Ehe er aufsaß, klopfte er Ranald aufs Knie. Sosehr er sich sorgte, so froh war er, diesen Ritt nicht ohne den Barden anzutreten, der seine Welt mit ihm geteilt hatte.
    Als seine Söhne kamen, brachen sie auf. Johns Augen waren vom nächtlichen Gelage gerötet, und Sandy Og biss die Lippen zusammen, als habe er Zahnweh. Offenbar wollte er nicht sprechen, was dem MacIain zupasskam; er segnete einmal mehr das Stille gebietende Spiel der Pfeifen. Die Abmachung, die sein Sohn und er getroffen hatten, vertrug keine Nachrede.
    Sie hatten einer den anderen erpresst.
    Mit Ranald und den Waffenträgern konnten sie nur langsam reisen, und sie mussten zur Nacht in der Heide rasten. Sandy Og erlegte mit seiner Pistole zwei Hasen, was den MacIain erzürnte, da der Lärm ihren Standort preisgab. Dass der Sohn wie üblich keine Reue zeigte, sondern auftrumpfte, der Willie habe die Verfolgung der Rebellen ausgesetzt, machte ihn noch zorniger: »Und wer sind wir, dass wir den Versprechungen von Thronräubern glauben? Hornochsen! Verschaukelte Narren?«
    Er verbot Sandy Og ein Widerwort und schickte ihn, den Pferden die Hufe auszukratzen, was sonst der Reitknecht tat. In seinen Zorn aber mischte sich Bewunderung: Diesen Sohn an der Waffe zu lehren

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