Glencoe - Historischer Roman
Tage mit Fieber. Sie glaubte, Blut zu spucken, aber Sandy Og versicherte ihr, es sei nur Erbrochenes gewesen. Er sorgte für sie. Sie hatten ihr die Kammer gerichtet, in der sonst Gormals Junge schlief, und ließen die ganze Nacht über Kerzen brennen. Nie zuvor war sie in seinem Haus gewesen. Eswar ein recht klägliches Haus mit schiefen Wänden und winzigen Kammern, aber so zugig, wie es war, schien es über einen endlosen Vorrat an Decken zu verfügen, und sie hörte ständig Lachen.
Wenn du mir eins wie dieses baust, bin ich zufrieden. Ich wollte dich immer ganz so, wie du bist, mir warst du immer genug.
Sie wollte gesund sein und mit Sandy Og aufbrechen. Wir gehen, um die Wahrheit zu hören, und danach kommen wir nicht zurück. Wenn wir bis zum Frühling warten müssen, werde ich krank im Kopf. Sie hörte, wie erst die Lady und dann der MacIain an die Tür klopfte, aber Sandy Og ließ keinen zu ihr, wofür Ceana ihm dankbar war. Sie würde ihn bitten, ihr aus Carnoch ein paar Kleider zu holen, damit sie die beiden nicht wiedersehen musste.
Am Abend des dritten Tages war das Fieber gesunken. »Wenn du dich bei Kräften fühlst, könnten wir morgen gehen«, sagte Sandy Og. »Ich ginge gern bald, denn der Schnee lässt nicht mehr lange auf sich warten, und du weißt selbst, was geschehen kann, wenn dort oben Schnee liegt.«
»Wohin gehen wir denn?«, fragte sie, aber er hatte recht, sie wusste es selbst.
»Nach Coire Gabhail.«
»Zu dem Pachthaus?«
»Zu Ben«, sagte Sandy Og.
Sie brachen im ersten Tageslicht auf. Die Campbell gab ihnen Riemen, um sich die Strümpfe zu gürten, und während Sandy Og ungeschickt an seinen Strümpfen herumzupfte, berührte sie ihn im Nacken, als sei er ihr Besitz. Ceana vermied, ihr in die Augen zu sehen. Sie hasste die Campbell nicht. Sie wünschte ihr und ihren Kindern auch kein Übel, sondern hoffte, der MacIain würde für sie sorgen, wie er für Gormals Kinder sorgte.
Sandy Og schnürte Salzfleisch, Mehl, getrocknetes Obstund Käse in ein Bündel, band eine Decke obendrauf und schnallte sich zwei Lederflaschen auf die Hüften. Er schickte Ceana voraus und kam gleich darauf nach.
Er hatte recht, es würde bald schneien. Der Himmel hing tief und war mehr gelb als grau, die Gespensterschwestern des Bidean nam Bian waren hinter den Nebeln nur zu ahnen. Samhuinn war vorüber – die Kälte nicht mehr forsch, sondern grimmig und lastend. Winterlich.
Neben Sandy Og einherzustapfen war so, wie es immer hätte sein sollen. Sie schob ihre Hand in seine, und er hielt sie im Gehen fest. Manchmal lächelte er, wenn sie zu ihm hinsah. Irgendwann, ehe sie am Hang mehr Kraft brauchten und der Wind ihnen zu laut in die Gesichter blies, ehe die Angst wuchs, mussten sie sprechen.
»Sandy Og, woher weißt du das von Ben?«
Er sagte nichts. Dass er oft nur hörte, was er wollte, war ihr nicht neu, doch heute knuffte sie ihn in die Rippen. Er bog sein Ohr auf und fragte: »Was ist?«
»Woher weißt du, dass Ben im Coire Gabhail ist? Ist Gormal bei ihm? Warum sind sie dort?«
»Warte.« Er hielt sie an den Schultern fest, ging um sie herum und lief an ihrer rechten Seite weiter. »Sag’s noch einmal, bitte.«
»Beim Himmel! Sandy Og, sprich endlich aus, was du weißt. Halt mich nicht hin wie die andern, ihr schweigt mich alle tot.«
»Ich schweig ja nicht«, sagte Sandy Og. »Ich weiß nur auch nicht viel. Ein paarmal bin ich oben gewesen, um ihnen etwas zu bringen, da hab ich Ben nicht fragen wollen, weil er gewiss gelobt hat, nichts zu sagen. Jetzt sag ich ihm, dass du es wissen musst.«
»Spricht er mit dir?«, platzte Ceana heraus.
»Warum sollte er nicht? Wie ihr auf den Unsinn gekommen seid, er sei stumm, musst du nicht mich fragen.«
»Ich weiß, dass er nicht stumm ist!«, rief sie schnell. »Ichdachte aber … Obwohl er nur ein Knecht ist und sich das nicht erlauben dürfte … Nun, ich dachte, dass er dich nicht mag.«
Abrupt blieb Sandy Og stehen und sah ihr ins Gesicht. Wind blies ihm das Haar auf. »Er mag mich«, sagte er. »Und ich mag ihn auch.«
Der Aufstieg war härter als erwartet, weil ihnen eisiger Wind entgegentrieb und Ceana, die sich gesund geglaubt hatte, rasch an Kraft verlor. Sandy Og schleppte sie mehr, als sie zu führen, und einmal fragte er sie, ob sie umkehren wolle. Sie schüttelte den Kopf. Gingen sie jetzt den Weg nicht zu Ende, so kämen sie bis zum Frühjahr nicht her, und ohnehin war ein Zurück nicht mehr denkbar. Hinter dem Felsen, der
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