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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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vor Samhuinn dachte sie: Im nächsten Sommer hab ich wohl noch einmal ein Kind.
    Ihr Mann war ihr nie heiler vorgekommen, er erschien ihr hellwach, war sorgsamer mit seinem Haar und seinen Kleidern, und Sarah fand, er höre mit einem Ohr besser als mit zweien.
    Über Ceana sprachen sie nicht. Ceana war in der Siedlung nie zu sehen, und es beschäftigte sie so vieles andere, dass sie sie einfach vergaßen.

    Ich bin zum Messer geworden. Ob ich Luft einziehe oder sie wieder ausblase, immer höre ich, wie sich das Messer in mir schleift.
    Heute war der Tag der Messer, der Tag vor Samhuinn, an dem geschlachtet wurde, was für den Winter einzusalzen war, und vom Morgen an war dieses Geräusch von den Messern in Ceanas Ohren: swisch, swisch, swisch . Alles lief beim Haus Carnoch zusammen, Schlachter, Knochenhauer und Blutrührer. Das ganze Tal stank nach Blut. Ceana, die es ihr Leben lang so kannte, fragte sich zum ersten Mal: Wie stumpf seid ihr, dass ihr bei dem Gestank noch singen könnt? »Colins Rinder, die geben Milch in der Heide« – habt ihr keine Ohren, oder seid ihr selber Rinder, dass euch nicht kratzt, was ihr singt? Sie hatte sich von den Rindsmenschen ferngehalten, die ewig die gleichen Worte vor sich hin trällerten, ohne sich je zu fragen, was dahintersteckte. An Samhuinn aber würde sie sich nicht fernhalten können. Die Lady, die sie immer so viel gelobt hatte, ermahnte Ceana neuerdings immer öfter. »Vergiss die Arbeit nicht«, sagte sie. »Ceana, träum nicht faul in den Tag.«
    Ceana hasste sie dafür. Weshalb bin ich in deinem Haus? Damit du eine Tochter vorzeigen kannst, die herziger und fügsamer ist als deine eigene? »Milchtochter« nennst du mich, aber dein jüngstes Kind ist sieben Jahre älter als ich. Wie hättest du mich mit Milch füttern können?
    Wer bin ich? Ein Findling?
    Als sie als kleines Mädchen einmal danach gefragt hatte, hatte sie eine wegwerfende Antwort von der Lady erhalten: Wer sollst du schon sein, ein naseweises Ding!, und eine liebevolle von Vater MacIain: Mein Mädchen bist du, ein Teil meines Herzens.Wenn’s sein muss, würde ich für dich sterben, Ceana. So sehr wie für meinen John, für Gormal und Sandy Og.
    Nachdem der Uralte gestorben war, hatten alle sie mit dem Schmerz allein gelassen. Eiblin hatte sie schluchzend und jammernd angebettelt, niemandem etwas zu sagen. »Die schlagen mich tot, Ceana, die jagen mich wie Gormal aus dem Tal.« Ceana hatte nichts darauf geben wollen. Was schuldete sie Eiblin? Was schuldete sie irgendwem, wenn nicht Sandy Og? Sie wartete nicht bis zum Morgen, sondern rüttelte die Lady aus dem Schlaf. Die schrie im Erwachen. Lady Morag, die Steinsäule – nichts war mehr, wie es schien. Die alte Frau begriff nicht, was Ceana von ihr wollte. »Weil der Uralte tot ist, weil er endlich tot ist, weckst du mich und machst mir Angst, mein Kind ist tot?«
    Kaum kam sie zu sich, riss sie sich wie üblich am Riemen, schlang sich ihr Tuch um und ging mit Ceana zum Verschlag, wo die flennende Eiblin schon mit dem Tacksman von Inverrigan wartete. Der hatte sein Weib mitgebracht, Ailig, eine dicke, gute Frau, die Ceana in die Arme zog und sie mit in ihr Haus nahm: »Die arme Lady hat so viele Sorgen, Kindchen. Schlaf heute Nacht bei uns.« Ceana wäre gern unter dem Dach der Inverrigans geblieben, denn die beiden waren tröstlich und arglos, und in ihr sträubte sich alles dagegen, mit der Lady unter einem Dach zu schlafen. Anderntags aber holte jene sie zurück. Ceana fragte sie nur noch einmal, am selben Abend: »Der Uralte, Calum – wer war der?«
    »Fängst du wieder an, jetzt, wo der tot ist, wo das endlich ein Ende hat?« Die Lady schlug sie. »Was hat dir denn gefehlt, bist du nicht genudelt und gehätschelt worden wie keins von meinen Kindern? Meine Tochter muss ehrlos erfrieren und mein Sohn sich totschlagen lassen, aber du gibst noch immer keine Ruhe, hast noch immer nicht genug.«
    Meine Tochter. Mein Sohn. Ich bin niemandes Tochter.
    Sandy Og aber gehörte ihr, nicht den andern, und wenn dieLady ihn hundertmal den ihren nannte. Die hat doch von Sandy Og nie was verstanden, so wenig wie von mir. Sandy Og war zu ihr gekommen, als sie winzig klein und elend vor Angst gewesen war, hatte sich zu ihr gelegt und sie gehalten. Sie wollte, dass er sie auch jetzt hielt. Wollte ihn fragen: Du warst doch bei mir, du musst dich erinnern. Woher hat dein Vater mich geholt?
    Sie wollte, dass er ihr wieder die Worte vorsprach, weil er sie ja nicht

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