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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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behalten. Es gebührte dem MacIain, sobald es entwöhnt ist. Gormal hatte alles gewusst, sie hatte an Sorchas Lager gestanden und Ceana ins Gesicht gelogen.
    »Der MacIain hat gewartet«, sagte Ben. »Hat die Hebamme nach Coire Gabhail geschickt, damit sie seinem Bruder mit den Kindern hilft und ihm sein Teil bringt, wenn’s an der Zeit ist.Als nichts kam, hat er mich noch mal hochgeschickt, um zu sehen, wie sich’s steht. Besser stand sich’s. Sein Bruder hat gesagt: ›Die zwei Kleinen muss ich großziehen, das ist alles wert.‹ Ich hatt’ den Jüngsten vom MacIain im Schlepp, der stieg mir überallhin nach, und zu dem hat er gesagt: ›Du bist der Augapfel von deinem Vater, wie die zwei Täubchen jetzt meine. Wem die Frau stirbt, der muss es schlucken, aber wem das Kind stirbt, dem reißt’s die Augen aus.‹ Der MacIain hat weiter gewartet. Erst als drei Monate um waren, hat er gesagt, ich soll mit ihm nach Coire Gabhail. Von der Zwillingsgeburt das Halbe holen, das vom Gesetz her ihm gebührt.«
    Von der Zwillingsgeburt das Halbe. Das war ich.
    Ben sprach nicht weiter. Gormal schob ihm die Flasche hin, die er mit zitternden Händen zum Mund hob.
    »Und Calum?«, fragte Sandy Og.
    »Wollt’s ihm nicht geben«, murmelte Ben.
    »Calum wollte sein Kind nicht hergeben, aber der MacIain hat es dennoch genommen und nach Carnoch gebracht, war es so?«
    »Musst er doch. Ist Gesetz.« Ceana sah Sandy Og sein Ohr aufbiegen, weil Ben kaum noch zu verstehen war. »Musst er doch«, wiederholte Ben und starrte auf den Tisch. »Wenn der MacIain dem König was schuldet, muss er’s ihm geben, ob’s sein Kind ist oder sein Auge, und wenn einer dem MacIain was schuldet …«
    »Ja«, sagte Sandy Og. Nein , schrie es in Ceana. »Aber Calum wollte sein Kind wiederhaben?«
    »Er hat ihn angebettelt, er soll’s ihm rausgeben. Weil er doch sein Milchbruder ist und sein Freund, und er hält’s nicht aus. Nicht bei Verstand war der, nicht bei sich selbst.«
    »Und der MacIain hat ihm sein Kind nicht gegeben.«
    »Nein. War doch von Rechts wegen seins. ›Wenn die Zeit das ihre tut, kommt er zu sich‹, hat er gesagt. Und meistens geht’s ja so. Nur diesmal nicht.«
    »Was hat Calum getan, Ben?«
    Ben blickte auf und sah Sandy Og an. Als er weitersprach, schien jedes seiner Worte eine Scherbe mit gesplitterten Kanten zu sein. »Du wolltest die Nachtkerzen sehen. ›Ben, geh mit mir zu den Nachtkerzen. Ben, geh mit mir zu den Nachtkerzen.‹ Tagaus, tagein. Hätte ich nicht davon geschwatzt, wär’s nie geschehen. Vor Sonnenaufgang bin ich hin, war verschlafen, hab das Kind verloren. Der Mann kam aus dem Ginster – der hatte da ja seine Rinder stehen. Er hat sich’s geschnappt und in den Fluss geworfen. ›Der hat mein Kind den schwarzen Feen gegeben‹, hat er gesagt, ›jetzt kriegen sie seins noch dazu.‹«
    Gormal hielt Sandy Og die Flasche hin, doch der sah durch sie hindurch, als sei die Flasche aus Glas. »Du hast mich gerettet. Du hast mit Calum gekämpft und dir das Gesicht zerstechen lassen.«
    Ben schüttelte den Kopf. »Der war ja nicht bei sich. Hat, glaub ich, sonst nie einen verletzt. Ich bin so spät gekommen. Dachte, das Kind muss ja tot sein. Der MacIain hat gesagt: ›Du hast meinen Jungen gerettet.‹ Die Lady hat gesagt: ›Du bist schuld, hast nicht aufgepasst.‹«
    Schwerfällig, als müsse sie jedes Glied einzeln schleppen, erhob sich Gormal. »Genug«, befahl sie. Auch ohne das war unverkennbar, dass der Knecht nicht mehr konnte. »Sandy Og war nicht tot«, sagte sie. »Ben hat ihn nach Carnoch getragen und alles dem Vater erzählt, und der hat ihn ins Haus zur Mutter gebracht. Er war bald wieder in Ordnung. Nicht in Ordnung war das Mädchen, das der Uralte im Coire Gabhail allein gelassen hatte. Es war aus dem Schlingbett gestürzt und lag auf dem Boden. Der Hals gebrochen.«
    Sandy Og sprang auf. Gormal blieb stehen und sah zu ihm hoch. »Wir durften nichts davon wissen«, sagte sie. »Ceana ist unsere Schwester, und der Uralte ist krank, hat sich um den Verstand gesoffen. Für den müssen wir sorgen wie für alle Idiotenund Kranken. Das war’s, was wir wissen durften. Wenn einer etwas anderes sagt, stürzen die Berge ins Tal.«
    Wäre es nach Sandy Og gegangen, hätten sie die Nacht in dem unsäglichen Haus verbracht. Es dämmerte bereits, Ceana zitterte heftig, und er äußerte Furcht, sie bringe die Kraft für den Abstieg nicht auf. Ceana jedoch wollte nur fort. Schon dass Sandy Og die zwei

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