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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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glaubte, seine Mutter zu hören, die ihm gesagt hatte: Ich sterb an der Schande, Sandy Og. Ich sterb. Die Angst, seine Mutter werde seinetwegen an der Schande sterben, hatte ihn durch seine Knabenzeit begleitet, und jetzt starb die Mutter womöglich wirklich, und seine Frau und sein Sohn gleich mit. Oder sie alle mussten damit leben.
    Auch den Befehl für die Reiter erteilte Cannon von hinten, statt an die Spitze vorzustoßen. Sandy Og schloss die Schenkel um den Leib des Schecken.
    Der Galopp tat gut, das Hämmern im Gleichtakt, das Hochspritzen aufgewühlter Erdbrocken. Von immerhin vier Seiten stürmte das Hochlandheer auf die Stadt zu, was durchaus seine Wirkung hätte haben können; wären die einzelnen Truppenteile größer gewesen, hätten sie mit mehr Wucht aufprallen können. So aber verpuffte ihre Stärke. Der eine Schuss, den die Männer auch dieses Mal abfeuerten, füllte die Luft mit nutzlosem Getöse. Schwerter und Schilde vorstreckend, mussten die Fußtruppen sich ins Gewirr der Gassen zwingen lassen. Den Reitern erging es nicht besser, nur waren ihnen der Boden und der Tod nicht so nah.
    Der Kampf konzentrierte sich rasch auf das Viertel um die Kathedrale und die Wohngebäude des Kapitels. Der junge Cleland, Soldat des Herrn, hatte seine Psalmensänger klug verteilt; sie verteidigten ihre Stadt von Uferhängen, Flussdeichen und aus Straßengräben. Ihre Musketiere hatten weder Schwerter noch Bajonette, sondern kämpften mit Piken und schweren Hellebarden und verstanden ihre Feuerwaffen aus Hauseingängen, auf kürzeste Distanz zu nutzen. Häuser, die sie nicht halten konnten, steckten sie in Brand, bevor sie entflohen oder starben. Zwischen den Häusern – den brennenden und denen, aus denen Salven platzten – war so wenig Raum, dass der, der hindurchritt, sein Pferd beständig über Tote jagen musste.
    Killiecrankie war schnell vorbei gewesen, Dunkeld aber dauerte den ganzen Tag. Irgendwann war es Sandy Og, als ginge esauf immer so weiter; Hauen, Stechen, Schneiden – es wurde alles einerlei, die Angst vor dem Tod, die Angst vor dem Töten, nur die aus den Dachstühlen lodernden Feuer brannten auf der Haut, in Lungen und Augen, und die Schreie und Schüsse, das Klirren der Klingen vermengten sich zum Rauschen. Dass sie weniger wurden, dass immer mehr Leiber am Boden lagen und Wege verstopften, geschah so langsam, dass Sandy Og es kaum merkte. Er war kein Mensch mehr. Er war eine Waffe, die nicht nachgeladen werden musste, viel nützlicher als die Kanonen aus Blair, die Cannon zu weit vor dem Zentrum des Kampfes platziert hatte und denen die Munition ausgegangen war.
    Dass Cannon sein Heer noch immer von hinten befehligte, würde auf wenig Respekt stoßen. Zumindest hätte er von diesem Posten aus seine Taktik ändern können, sobald er erkannt hatte, dass seine Männer abgefangen wurden wie von Mädchen gepflückte Beeren, aber er änderte sie nicht. Stattdessen quetschte er auch noch die Nachhut in die Stadt, wo die Männer über tote Kameraden stolperten, noch ehe die Kugeln der verborgenen Schützen in ihnen ein neues Ziel fanden. Die Soldaten des Herrn schienen über unbegrenzte Mengen von Munition zu verfügen. Um Sandy Og und den Schecken pfiffen Kugeln, mähten erbarmungslos die Klingen der Hellebarden, doch als wären sie in eine unsichtbare Rüstung geschweißt, blieben beide am Leben.
    Dass die Männer des Hochlands besonders tapfer waren, gehörte zu den Floskeln, die ein jeder vor sich hertrug, ohne sich je zu fragen, was dahintersteckte. Als aber der Kampf endlich langsamer wurde, so langsam, dass Sandy Og spürte, wie schwer seine Glieder waren, fand er, dass sie den Ruf verdienten. Die Männer, die diesen Sieg so sehr gewollt und so sehr gebraucht hatten, kämpften noch um ihn, als sie vor Schwäche nur noch torkeln konnten. Erst jetzt erfassten sie mit blinden Augen, dass er verloren war. Unendlich tapfer waren die Hochländer, denen ihr General endlich von hinten den Rückzug befahl. Viel tapferer als die Soldaten Clelands, die in die Kathedrale strömten und Psalmen sangen, denn die vertrauten ja darauf, dass Gott für sie kämpfte. Die Hochländer hingegen vertrauten allein auf sich; sie hatten allein gekämpft, waren allein geschlagen worden und würden allein damit fertig werden müssen.

    Ich halte es nicht aus, dachte Sarah, solche Angst um dein Leben zu haben. Wenn nicht bald Nachricht kommt, werde ich eins dieser kranken Rinder nehmen oder irgendein anderes Geschöpf,

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