Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
Vom Netzwerk:
handeln, die der Willie abgestellt hatte, um sie als traurige Vorhut zu opfern. Das Lachen aber misslang.
    Neben ihm zitterte Ranald, aber vielleicht nicht vor Angst, sondern vor Kälte oder weil er sich kaum auf seinen dünnen Beinen halten konnte. Wir haben uns doch nie gefürchtet, oder was, mein Alter? Wann hätten wir zwei zum Fürchten je Zeit gehabt?
    »Pfeifer!« Nur Augenblicke nach dem Einfall des grausigen Singens erging Cannons Befehl. Ohrenbetäubend stürmten sie gegeneinander, das Piobaireachd, das Schlachtlied des Hochlandes, und das wölfische Jaulen aus der Tiefe. Jeder Gegner, dem der MacIain in seinem Leben gegenübergestanden hatte, warvor der Wucht des Pfeifenspiels erschaudert, aber diese Verrückten schienen das Fauchen und Drohen nicht einmal zu hören. Sie sangen einfach weiter, während das Heer der Clans mit blitzenden Klingen ihrer Stadt entgegenzog. Als wären wir gar nicht da.
    Der MacIain, dem die Schritte auf einmal schwerfielen, versuchte sich zu versichern, was sein Großvater und sein Vater ihn gelehrt hatten: Nach uns folgst du, und nach dir folgen deine Kinder. Glencoe ist immer da, wie die Fianna immer in den Bergen singen. Doch statt sich von den alten Gewissheiten beruhigen zu lassen, drängten sich in ihm Gedanken: Werden sie mich nach Glencoe schleppen, wenn ich sterbe? Begraben sie mich auf der Eilean Munde? Singt meine Liebste mir das Lied? Er hatte nie an den Tod gedacht; der Tod war wie der große Mann von Ballachullish oder die Bean Nighe – die Weiber schwatzten von denen, aber einem Kerl wie dem MacIain wagten die sich nicht zu zeigen. Am liebsten hätte er seinen Barden, der mit zitternden Schenkeln neben ihm abstieg, geschüttelt und ihn beschworen: Ranald, Ranald, wir beide hatten doch nie Angst vor dem Tod.

    Wenn eine Lage sich veränderte, ein Plan nicht aufging, traten Offiziere zusammen, um über einen neuen zu beraten. Das war eine schlichte Regel, die selbst ein einfältiger Mann begriff. General Cannon jedoch beriet sich nur mit seinem Intimus Dunfermline, bevor er befahl, den Marsch auf Dunkeld unverwandt fortzusetzen. Eine andere schlichte Regel besagte, dass ein Mann seinem Feldherrn zu gehorchen hatte. Umso mehr erschrak Sandy Og, als er bemerkte, dass er sein Pferd zur Seite führen und General Cannon erklären wollte, sein Befehl sei Wahnsinn, er gehe nach Hause, tue nicht mehr mit.
    Es war nicht nur ein Wollen. Eine Kraft trieb ihn mit dem Zug voran, bergab, Schritt um Schritt, der Stadt entgegen, eineandere Kraft aber packte ihn an Schultern, Lenden, Gelenken und zerrte ihn zurück. Es tat weh, kostete ihn alle Stärke. Der Vogelgesang, der den Tag begrüßte, wurde vom Dröhnen der Pfeifen und dem heulenden Gesang der Cleland-Männer übertönt. Auf einmal begriff Sandy Og, was Tod bedeutete. Das Tschilpen und Zwitschern, das ich alle Tage kaum bemerkt habe, werde ich nicht mehr hören .
    »Es ist nur ein Regiment«, hatte manch einer versucht, sich zu beruhigen, »die sind in der Unterzahl, und wir haben doch in Killiecrankie eine Übermacht bezwungen.« In Wahrheit wussten alle, dass sie tief in den Stadtkern eindringen und in engen Straßen würden kämpfen müssen. Dafür aber eigneten sich weder ihre Waffen noch ihre Fähigkeiten.
    Der Abstieg dauerte länger als erwartet, es war schon sieben Uhr oder später, als sie endlich die Aufstellung eingenommen hatten, die Cannon verlangte: die vier Kanonen auf dem Galgenhügel nördlich der Stadt, und östlich davon, am Fuß eines Hügels namens Schiochies, die Stoßtruppe mit Schwertern, Helmen und Halbrüstung. Gleich hinter ihr sollte ein halbes Regiment zum Feuerschutz folgen, und links standen Sandy Ogs Reiter.
    Noch immer drängte es Sandy Og auszuscheren. Im Aufsitzen krallte er sich in die Mähne des Schecken und wünschte, die Zügel nicht aufnehmen zu müssen, sondern alles dem Tier zu überlassen: den Kampf mit den Kräften, die Entscheidung über Leben und Sterben, das Töten.
    Seit Killiecrankie war er allein gewesen, selbst mit Lochiel, der, ehe er aufgebrochen war, ständig seine Gesellschaft gesucht hatte. Mehr allein denn je. Dass er das Töten nicht ertrug, durfte er niemandem sagen, es wäre, als sagte man: Ich bin ein blaues Rind mit sieben Köpfen. Mehr als zuvor wünschte Sandy Og sich, die Zügel des Schecken zur Seite zu reißen und auszuscheren, im Galopp davonzusprengen, über alle Berge.
    »Angriff!«, befahl General Cannon von hinten dem Stoßtrupp. Sandy Og aber

Weitere Kostenlose Bücher