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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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brüchige Zwinge, aber allzu viele rief die Not nach Hause. Dass Ardshiel ging, war schlimm, dass jedoch Lochiel ging, war kaum zu ertragen. Ein Freund, so fand der MacIain, war einer, über den man nicht nachdenken musste, und schon einmal hatte er einen Freund nicht mehr verstanden, sondern fortwährend über ihn nachdenken müssen, bis die Freundschaft in all dem Nachdenken erstickte. »Verfluchter Teufelskuss, wie kannst du dich jetzt aus dem Staub machen?«, hatte er Lochiel entgegengebellt. »Die Leute schauen auf dich. Sie haben Dundee verloren, wie können sie auch noch dich verlieren?«
    Aber der Freund hatte sich verändert, und das war das Gefährlichste von allem, gefährlicher als Gerede von sich ändernden Zeiten. Lochiel, der Heißsporn, der einst einem lebenden Kerl die Gurgel durchgebissen hatte, fragte nun gedämpft, ohne die Stimme zu heben: »Kannst du dich bitte beruhigen, Alasdair? Ich bin ein Graukopf wie du, und die Leute suchen sich besser beizeiten Jüngere, auf die sie schauen.«
    »Du redest dich raus. Das hast du nie gemacht!«
    »Und du machst zu viel aus nichts. Ich regle ja nur ein paar Belange, und wenn ihr dann immer noch diesem talentlosen Cannon hinterherlauft, laufe ich wieder mit.«
    Damit hatte er den MacIain stehen lassen, den schon einmal ein Freund auf solche Weise hatte stehen lassen, verstört und schwach vor Zorn. In einem hatte Lochiel allerdings recht, das musste der MacIain sich eingestehen: General Cannon war so talentlos wie kein Zweiter, ein blasser Mann ohne Feuer. Viele hätten lieber Dunfermline, Dundees engsten Berater, als Befehlshaber gesehen, weshalb Cannon diesen als Stellvertreter aufgenommen hatte. Inzwischen sah man den einen kaum je ohne den andern; doch auch gemeinsam gaben die beiden nicht halb den Mann ab, der Dundee gewesen war. Ein neuer Sieg musste her, notfalls auch ohne Lochiel. Sie hatten sichselbst zu beweisen, dass Dundees Kampfgeist noch unter ihnen weilte.
    Es gab auch andere, noch verstohlene Stimmen, die einen ganz neuen Feldherrn forderten, einen der Clanchiefs. Wer aber hätte so viel Macht besessen, dass alle anderen sich ihm fügten? Nicht einmal Lochiel hätte die gehabt.
    »Breadalbane«, sagte einer. Ja, es gab tatsächlich jemanden, der, wenn auch leise, Breadalbane vorschlug.
    Der MacIain knirschte mit den Zähnen, doch sein Kumpan Coll aus Keppoch kam ihm zuvor. »Breadalbane ist ein Verräter!«, brüllte er. »Er hat sich für den Willie erklärt.«
    »Hat er nicht«, widersprach eines der Milchgesichter. »Noch hat er sich keiner Seite zugeschlagen, also los, gewinnen wir ihn für uns.«
    »Wollt ihr ein schwankendes Rohr zum Feldherrn?«, ereiferte sich der wackere Coll. »Breadalbane ist kein Mann von Killiecrankie, und sein oberster Chief, der feine Herr von Argyll, soll alle verlorenen Titel wieder eingesackt haben – als Lohn dafür, dass er demnächst gegen uns ein Regiment führt.«
    »Das macht nicht alle Campbells zu üblen Kerlen«, wandte einer der Männer lahm ein, aber der Vorschlag verlief im Sand.
    Der MacIain atmete auf. Natürlich waren nicht alle Campbells übel; die alte Jean war ein Prachtweib gewesen, das beim Würfeln betrog wie ein Kerl, und die kleine Sarah war ihm lieb wie eine Tochter. Bei solchen wie Breadalbane oder seinem Nachbarn Rob, die aus ihren Herzen Mördergruben machten, sträubte sich ihm jedoch das Nackenfell. Dass Rob, immerhin Sohn der formidablen Jean, wahrhaftig mit Thronräubern in ein Boot stieg, blieb zwar unvorstellbar, aber für eine kleine Schweinerei am Rande war Rob immer zu haben, und sein Vetter Breadalbane war ein fünfmal größeres Kaliber.
    Der MacIain war erleichtert, als das Palavern ein Ende hatte und sie endlich aufbrachen. Während des Wartens in Dalcomera hatte er Unrast und Zwietracht gefürchtet, jetzt aberhatte sich Traurigkeit wie Nebel auf das Lager gesenkt, und diese Traurigkeit machte ihm mehr Angst denn je. Sie war ihm fremd. Das Reiten und Waffenschleppen würde ihnen allen guttun.
    Sie kamen nur langsam voran. Die schlechte Versorgung der letzten Wochen hatte an den Kräften der Männer gezehrt, und zudem schleppten sie vier Kanonen aus Blair mit sich. An MacIains Seite zogen sein Pfeifer Big Henderson, der in Killiecrankie seinen Sohn verloren hatte und seither in Schweigen gefallen war, und Ranald vom Schild, das auf die Mähre geschnallte Skelett, das ebenfalls nichts sagte, um sich die Erschöpfung nicht anmerken zu lassen. Zu seinem Glück ließ

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