Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
Vom Netzwerk:
auf dem man sitzen kann, und in die Weite reiten, um nach dir zu suchen. Keine andere täte so etwas, nur ich bin verrückt genug dazu.
    Heute war Sarah an der Reihe, dem Uralten das Essen zu bringen. Auch wenn sie ihm nicht gern nahe kam, war dies immerhin eine leichte Aufgabe, bei der sie nichts falsch machen konnte, und über den Geschmack der Speisen würde es keine Klagen geben. Wie so oft saß der Uralte bei dem Stein vor seinem Verschlag wie ein Tier, das seine Knochen in der Sonne wärmt. Da Calum so viele Dinge, die Menschen können, nicht konnte, war es leicht, ihn für ein Tier zu halten. Dann aber überraschte er wieder, weil er Dinge tat, die kein Tier gekonnt hätte. So wie jetzt, wo er den Oberkörper in den Armen schaukelte und ein Lied vor sich hin summte. Colins Rinder .
    Sarah setzte das Tablett auf den Stein. Ihm Wein zu bringen, hatte sie vergessen, aber der Uralte, von dem es doch hieß, er habe sich um den Verstand gesoffen, klagte nicht. Wie die armen Rinder, die etwas gefressen haben mussten, das ihnen die Bäuche blähte und sie jämmerlich verrecken ließ, nahm er klaglos hin, was man ihm vorsetzte. Er unterbrach sein Summen und tauchte den Löffel in die Suppe. Kaum hatte er ihn zwischen die Lippen geführt und den Mundvoll geschluckt, summte er ein paar Takte weiter, gerade an der Stelle, an der er aufgehört hatte, ohne einen Fehler in der Melodie.
    Wem mochte er das Totenlied singen? Den Männern, deren Namen sie noch immer nicht wussten, den Rindern, deren verseuchtes Fleisch niemand zu essen wagte, oder sich selbst, mit dem der Tod irgendwann Erbarmen haben musste? Wieder aß der Alte einen Löffel voll Suppe und summte ein paar Takte. Sarah sah ihm zu, dann zwang sie sich zu gehen, denn es gehörte sich nicht, einem andern zuzusehen, der sich allein mit sich glaubte. Einem Tier vielleicht. Aber keinem Menschen.  
    Am frühen Abend, als es noch hell war, kamen die Jungen vom Viehhüten hinunter. Sie waren missgelaunt, weil zwei weitere Kühe gestorben waren. Die großen Leiber hatten sie vergraben müssen, damit sie nicht zu sehr stanken, und gleichzeitig gierten ihnen die Mägen nach dem Fleisch. Angus, der Anführer der Schar, verteilte Schimpfworte und Schläge mit dem Stecken. Noch immer kam Duncan allabendlich mit frischen Striemen nach Hause; auch jetzt trottete er einsam am Schluss des Zuges. Es war für alle ein schlimmes Leben, aber für einen, der für die Angst und den Zorn der Stärkeren den Kopf hinhalten musste, war es kaum zu ertragen. Sarah hatte Duncan versichert, er dürfe in der Hütte bleiben, wenn er nicht mit den anderen auf die Weide wolle, aber Duncan hörte ihr kaum zu und zog am nächsten Tag doch wieder mit hinaus.
    Vor ihren Hütten erwarteten die Frauen ihre Söhne, als vom Joch her Bewegung laut wurde und ein Aufruhr entstand. Sarahs Körper spannte sich. Natürlich würde mit ihr wieder niemand sprechen, falls ein Bote gekommen war, aber diesmal würde sie auf Bäume, Steine oder Gipfel steigen, wie sie es als Mädchen getan hatte, um alles zu hören. Für die bin ich längst des Teufels böse Tochter. Was soll mich noch kratzen, was die von mir denken? Ich will nur wissen, ob du lebst, Sandy Og.
    Wie üblich stürmten Frauen und Kinder an den Abhang, wo sie bis aufs Joch hinuntersehen konnten. Nur drängelte sich diesmal auch Sarah dazwischen. Ceana wich ihr sofort aus, und doch streiften sich flüchtig ihre Arme. Es war seltsam, Ceana zuberühren, die andere, von deren Berührung Sandy Og vielleicht träumte. Oder im Augenblick seines Todes geträumt hatte. Warum machte sie sich solche Gedanken? Warum tat sie sich selbst so weh?
    Vier Männer stiegen den Hang hinauf: ein vornehm gekleideter Herr, ein Gillimore und zwei Caterans zu seinem Schutz. Kein Bote. Sondern der Chief eines Clans.
    Sarah sah ihn nicht zum ersten Mal, und er war leicht zu erkennen, auch wenn er sich verändert hatte, sein Gesicht grau geworden war. Lady Morag gab sich trotzdem, als sei dies ein heiterer Freundschaftsbesuch. Sie reckte sich und winkte. »Seid gegrüßt, Ewen. Welche Freude.«
    »Es ist auch mir eine Freude, meine Beste.« Ewen Cameron lächelte. »Stolz des Hochlands. Perle von Glencoe.« In Lady Morags weißem Haar fing sich der Wind und trieb ein Liebesspiel. Ihre Tochter Gormal, die neben ihr stand, wirkte trotz ihrer Größe wie ihr Schatten, fand Sarah. So wie der MacIain und John zusammen wirkten.
    Eiblin sprang den Männern in den Weg, noch ehe die den

Weitere Kostenlose Bücher