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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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aus, als könne sich seine Farbe niemals mehr ändern, und obgleich ihr Körper immer noch so zitterte, dass ihr der Kopf hüpfte, waren ihre Gesichtszüge gefroren. Sie würden sie nehmen und höher in die Berge tragen müssen, erkannte Sarah. Siewürden Gormal den Mund auf- und zuklappen müssen, damit sie ihrem James das Lied sang.
    Dann durchschnitt ein Laut die Stille. Das Aufweinen eines Kindes, das immer klingt, als zerrisse die Welt und aller Kummer sei untröstlich. Angus war fast dreizehn Jahre alt und bekam um das Kinn schon Schatten, aber sein Weinen war das eines kleinen Jungen. Der Vater war stolz auf ihn gewesen, hatte ihn auf seinen Knien das Reiten gelehrt und mit ihm am Loch Linnhe schillernde Steine gesammelt, um geheime Zeichen in den Sand zu legen. Angus hatte an seinem Vater gehangen und gewiss die Tage bis zu seiner Rückkehr gezählt. Deshalb war er so ekelhaft, erkannte Sarah mit einem Mal und verzieh ihm auf einen Schlag die Quälereien. Auch Angus war nur ein Kind, dem man etwas Unschätzbares auf immer genommen hatte.
    Gormal, von der Sarah geglaubt hatte, sie sehe und höre nichts und könne auch nicht sprechen, schrie ihren Sohn an: »Ich will nicht, dass du heulst, verstehst du? Du machst deinem Vater Schande! Hör bei allen Teufeln auf zu heulen!«
    »Angus heult ja nicht«, rief jemand dazwischen. Duncan. Er hielt sich wankend auf dem gesunden Bein und schwenkte seine Krücke. »Ich hab ihm damit eins versetzt, da hat er sich erschrocken und wie ein Weib das Kreischen angefangen.« Angus verstummte und starrte ihn ungläubig an.
    Duncan sah den Älteren ebenfalls an. Der Blick der dunkelblauen Augen und der Blick der bierbraunen Augen hielten einander fest.
    »Schluss jetzt!«, befahl die Lady. »Dies ist keine Zeit für Kindereien. Ihr Rangen geht an eure Arbeit zurück, wenn ihr nicht wollt, dass ich euch Beine mache.«
    Sarah schreckte auf, als habe sie geträumt. Der winzige Augenblick, den sie hatte zusehen dürfen, hatte sie aus der Wirklichkeit davongetragen.
    »Seid Ihr die Sarah? Sandy Ogs Weib?« Wo kein Bote je mitihr gesprochen hatte, wandte sich Lochiel, der vornehmste Chief von Lochaber, an sie, und das konnte nur einen Grund haben. Sag nicht, dass er tot ist. Sag alles, nur nicht das! In ihren Ohren begann es zu rauschen, und ins Rauschen hämmerte ihr Herzschlag unbarmherzig hinein und überlagerte einige von Lochiels Worten.
    »Ihr könnt sehr stolz sein«, hörte sie ihn auf einmal sagen. »Euer Mann, dem manche wenig zugetraut haben, kämpft wie ein Löwe, fürchtet nichts und niemanden.«
    Kämpft. Fürchtet. Lebt.
    »Bonnie Dundee, den Gott selig habe, hat ihn zum Captain ernannt. Wenn König Jamie heimkommt, wird er ihn zum Ritter der Distel schlagen, und Ihr, mein Flötchen, werdet im Haar ein Diadem tragen.«
    Wird. Werdet. Kein Ende.
    Das Rauschen wurde zum Säuseln. Das Herz hämmerte noch immer.
    Zum Säuseln passte Ewen Camerons Stimme. Vielleicht sprach er auch weiter, um sich selbst zu beruhigen. »Ich habe mich gefragt, wie Ihr sein würdet, die Frau, die dieser komische Kerl sich genommen hat. Ich habe mir gesagt: ›Diesen Sandy Og wird Glencoe brauchen, den werden wir alle brauchen, und damit er zustande bringt, was wir von ihm brauchen, muss er ein Weib wie eine Lawine haben.‹ Und jetzt, wo ich Euch anschaue – wisst Ihr, was ich da denke? Er muss ein Weib wie das berühmte Mädchen haben, das ihr Kalb hütete, gesprenkelt wie ein Moorhuhnflügel auf dem Rannoch Moor hinter Eurem Tal. Sagt: Seid Ihr nicht in Wahrheit jenes Mädchen, das lieber dem Kalb die Läufe brach, als es den Räubern zu lassen?« Er lächelte und intonierte den ersten Takt von Colins Rinder.
    »Wann kommen unsere Männer wieder?«, fragte eine der Frauen ungeduldig, Ros, die ihr bisschen Vieh verloren hatte und zwei Wickelkinder sattbekommen musste. »Bringen sie irgendwas mit?«
    »Sie kommen bald«, antwortete Ewen Cameron matt, wie in Gedanken schon fort. »Doch sie ziehen auch bald wieder aus. Baut besser nicht auf das, was sie mitbringen.«

    Der Sommer verblasste über Nacht. Killiecrankie war nunmehr ein Name, ein Echo.
    Das Heer der Hochländer war nach Blair zurückgekehrt. Die Männer aus Glencoe waren zu hundert gewesen, als sie ihr Tal verließen, jetzt zählte Sandy Og keine vierzig mehr. Er war nicht ernsthaft verletzt, und doch schmerzten die Fleischwunden, die er davongetragen hatte. Es war, als brannten dieselben Schnitte auch in seinem Innern und all der

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