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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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Kamm erreicht hatten. »Und? Bringt Ihr Nachricht? Ruft man meinen John zurück, weil sein Land sich besinnt, dass es ihn braucht?«
    Die Schar der Jungen drängte sich zu ihr, als hoffte ein jeder, sein Land könne auch ihn brauchen und zu den Waffen rufen. Ewen Cameron lächelte noch immer, aber das Lächeln wurde zusehends matter und verblasste schließlich. »Schottland braucht John in der Tat«, sagte er, »zurzeit aber hier, bei seinen Leuten in Glencoe.« Damit ließ er Eiblin stehen und wandte sich an die Lady. »Meine Verehrte, ich komme aus Lochiel, wo ich Nachricht von Eurem Gatten erhielt. Er ist wohlauf und lässt Euch grüßen. Wenn Ihr wollt, nehme ich ihm Grüße mit nach Blair.«
    »Ist denn mein Mann noch in Blair?«, fragte die Lady scheinbar ungerührt. Sarah aber hatte eine winzige Bewegungüber ihr Gesicht huschen sehen, das Zucken der Freude, die sie verbergen wollte. »Mir wurde berichtet, er zöge mit General Cannon auf Dunkeld und Perth.«
    Ewen Cameron senkte den Kopf. Sarah erkannte, wie viel Kraft es ihn kostete, die Worte zu finden: »Das Heer der Clans hat in Dunkeld tapfer gekämpft. Kein Mann schonte Leib und Leben, aber diesmal hat das nicht genügt. Wir haben König Jamie keinen Sieg erringen können.«
    Die Niederlage einzugestehen war den großen Mann hart angekommen. Er lechzte förmlich nach Luft. Aus der Schar der Frauen klangen vereinzelte Wehlaute auf, die meisten aber blieben sprachlos, im Schrecken gefangen. Eine Niederlage bedeutete, dass die Beute ausblieb, die die hungernde Sippe so dringend gebraucht hätte. Eine Niederlage bedeutete, dass die Männer schweren Herzens zurückkommen und Schmerzen haben würden, die sie an irgendwem austoben mussten. Diese Niederlage jedoch bedeutete noch mehr. Was genau, wusste niemand; es hing als Drohung in der Luft, zu beklemmend, um die Hand danach zu strecken.
    Eine Niederlage bedeutete viele Tote. Für mich zählt nur einer. Sarah ballte die Fäuste, um die Angst auszuhalten. Bitte lebe, Sandy Og! Ewen Cameron hob den Kopf. »Seid stolz, Lady Glencoe. Euer widerborstiges Tal gebiert einen feinen Schlag von Männern. Irgendwann wird man sagen: ›Die Stuarts müssen große Könige gewesen sein, dass sie auf solche Männer zählen konnten.‹«
    »Wir danken Euch, Ewen«, erwiderte die Lady kühl. »Sprecht aus, was Ihr zu sagen habt. Es lässt sich ja nicht ändern, und wir werden es zu tragen wissen.«
    »Es schmerzt mich«, sagte Ewen Cameron, »dass dieser Kampf seine Opfer unter dem Teuersten fordert, dass Eure Familie nicht verschont bleibt.«
    Sarah schrie auf. Mochten die anderen sie verachten, mochten sie sie und ihr verkrüppeltes Kind aus dem Tal jagen, waskonnte ihr noch daran liegen? Ihre Hände glaubten zu fühlen, wie Sandy Ogs Hände sie gehalten hatten. Und dass diese sachten, kräftigen Hände jetzt nicht mehr in der Welt waren, war zu ungeheuerlich, um es zu fassen. Sie wollte noch einmal schreien, aber die Kehle war ihr versperrt. Sie wollte sich auf die Knie fallen lassen, aber ihre Beine taten weiter ihren Dienst.
    Der vernichtende Hieb, den der freundliche Ewen Cameron allein mit seiner Botschaft führte, traf jedoch nicht sie. »Meine Verehrte«, sagte er zu Gormal, »ich bringe Euch die schwere Kunde vom Tod Eures Gatten, dem wackeren James von Achtriachtan. Er ist tapfer gestorben, für Gott, für den König und Schottland. Nehmt es hin in stolzer Trauer.«
    Hohle Phrasen. Der, der sie aussprechen musste, tat Sarah leid. Auch der Vetter von Achtriachtan dauerte sie. Er war ein netter Mann gewesen, breit und ruhig, er hatte schön gesungen und gern Bier getrunken, aber keinen Wein. Mehr weiß ich nicht über ihn, und jetzt ist er tot. Dann fiel Sarahs Blick auf Gormal. Die Schwägerin weinte nicht. Sie warf sich nicht auf den Boden, um sich in der Erde zu wälzen, sondern blieb stehen. Ihren Körper durchrann ein Zittern, von den Schultern bis hinunter zu den Füßen, ein schüttelndes Zittern, das ihren Leib verhärtete, damit er aufrecht blieb. Offenbar war der Leib noch immer nicht hart genug, denn das Zittern rann wieder und wieder durch ihn hindurch und ließ Gormals Kopf hüpfen. Sie schien keine Kraft zu haben, dem Hüpfen oder dem Zittern Einhalt zu gebieten.
    Gormals Gesicht war weiß geworden, so weiß, wie Sarah es an keinem Menschen je gesehen hatte; nicht weiß wie Schnee oder wie glänzende Käseleiber. Eher weiß wie Asche, ein Weiß, dem selbst das Grau herausgebrannt war. Gormals Gesicht sah

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