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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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sich Coll, der an seiner anderen Seite ritt, das Schwatzen nicht vergällen. »Wenn wir mit Kraft drauflosstürmen, ist das die reinste Todesfalle«, freute er sich, als sie im Abendlicht ihre Pferde einen Hang hochführten, um zu kampieren. Die Stadt Dunkeld lag am Nordufer des Tay, von Bergen umgeben.
    »Wir haben aber die Kraft zum Stürmen nicht«, widersprach Sandy Og, der seinen Gaul im Laufen Gras rupfen ließ, ohne ihn am Zaum zu halten. »Man müsste von mindestens drei Seiten kommen, und dazu fehlt es uns an Männern. Wir sollten versuchen, Dunkeld zu umgehen.«
    Der MacIain fuhr herum. »Ich dachte, ich hätte dir eingebläut, den Schnabel zu halten, wenn du nur Unsinn zu schwatzen hast.«
    Sein Sohn schlug den Blick nicht nieder. Seine Augen waren dunkel vor Trotz.
    »Keinen Saft mehr, das Jungvolk!«, scherzte Coll. »Will kneifen, wenn der kleinste Stein im Weg liegt.«
    »Mein John ist nicht so einer«, warf der MacIain rasch ein.
    »Ja, ja, der Johnnie. Der fehlt uns.« Coll gab Sandy Og einen herzlichen Klaps auf den Rücken. »Dir, Junge, rate ich übrigens, dir an deinem Bruder wie an uns allen ein Beispiel zu nehmenund zum Kämpfen vom Gaul zu steigen. Das Claymore ist noch immer eine ordentliche Waffe, aber man schwingt es nicht, derweil man auf seinem Arsch sitzt, lass dir das sagen.«
    »Ich habe es mir mehrfach sagen lassen«, entgegnete Sandy Og ruhig und ging neben seinem Schecken weiter. Ungezogen, fand der MacIain. Eilig verwickelte er Coll in einen Wortwechsel, damit der sich nicht am Fehler seines Sohnes festbiss. Im Grunde hätte er Sandy Og nicht schützen, sondern ins Messer laufen lassen sollen – beschämend, wie der sich betrug. Seit Killiecrankie war er so – nicht nur schwierig und sonderlich wie sonst, sondern obendrein frech. Aber so einfach war es nicht. Wer nie ein Kind gehabt hatte, das aus der Art schlug, konnte nicht mitreden. Und wer von Sandy Og nichts wusste, erst recht nicht.
    Bei Einbruch der Dunkelheit erreichten sie eine Kette von Plateaus und machten halt, um ein paar Stunden auszuruhen, auch wenn außer dem todmüden Ranald, dem der MacIain noch eine Pfeife stopfte, vermutlich niemand Schlaf fand. Der August war ein tückischer Monat im Hochland, die Heide blühte mit aller Gewalt, und die Hitze der Tage trieb einem den Schweiß auf die Stirn, aber die Nächte waren so kalt, dass ein Mann fror, auch wenn er sich in sein Plaid gewickelt hatte. Die Kälte und die Stille unter tausend Sternen wurden seltsam scharf. Der Sieg, von dem der MacIain träumen wollte, rückte in unbestimmte Ferne, stattdessen tanzten Gesichter durch die Nacht. Zu viel zu denken, das hatte er einmal Sandy Og erklärt, war keine Krankheit, aber es machte krank. Umso froher war der MacIain, als General Cannon noch vor dem Morgen den Aufbruch befahl.
    Der Plan sah vor, das Gepäck und den Großteil der Pferde zurückzulassen, das letzte Stück Weges zügig zu bewältigen und das Cleland-Regiment in der Stadt bei Dunkelheit zu überraschen. Von Plänen und Taktiken verstand der MacIain wenig, er hatte sich stets auf seine Befehlshaber verlassen, aber dassCannons Plan schon jetzt gescheitert war, hätte selbst ein Blinder gesehen: Cannon hatte sich wie so häufig verschätzt, diesmal in der Zeit. Sobald sie die Kuppe des Berges überquerten, ging gleißend die Sonne auf, und so, wie jeder von ihnen die Stadt zu ihren Füßen in allen Einzelheiten erkennen konnte, vermochte auch jeder in der Stadt zu erkennen, dass über ihm das Heer der Hochländer stand. Die Möglichkeit zum Überraschungsangriff war vertan.
    »Halb so schlimm«, wisperte Coll dem MacIain zu, »da unten stehen nicht mal tausend Mann, und wie man hört, singen die lieber Psalmen, statt die Schwerter zu schwingen.«
    Als hätte die Stadt ihn gehört, hob aus den Straßen im Tal ein Singen an, ein Klagegebet in den erbleichenden Himmel, das dem MacIain Schauer über den Rücken jagte. Natürlich hatte er von diesem merkwürdigen Regiment des jungen Colonel Cleland gehört; natürlich wusste er, dass es sich bei den Singenden um verbissene Anhänger irgendeines gemordeten Feldpredigers handelte, die sich Soldaten des Herrn nannten und sicher waren, dass Gott ihnen den Sieg bescheren würde, aber bis jetzt hatte der MacIain sich keine Männer aus Fleisch und Blut darunter vorstellen können. Jetzt, wo er sie selbst sah und hörte, hätte er wie Coll über sie lachen sollen, denn es schien sich tatsächlich um Umnachtete zu

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