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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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und sie nicht wiegen und schon gar nicht trösten können. »Scher dich zum Teufel«, sagte er müde zu Lochiel. »Mir steht der Sinn nicht nach Schwatzen.«
    »Die glauben, du seist deinem Vater nicht ähnlich, irren sich gewaltig«, sagte Lochiel. »Du stehst ihm an Verbohrtheit nicht nach und bist so blöd vor Stolz wie er.«
    Als die Offiziere und Clanchiefs zusammentraten, um sich zu beraten, saßen Cannon und Dunfermline zwar in den hohen Scherenstühlen der Befehlshaber, aber sie schwangen sich nicht zu Wortführern auf. Vielmehr schwiegen sie beide den größtenTeil der zähen, bedrückenden Sitzung hindurch, und mit ihnen schwiegen andere, von denen man Schweigen nicht gewohnt war. Die Männer wussten, dass jemand einen Vorschlag würde machen müssen, und ein jeder hoffte, ein anderer möge sich opfern. Einzig der MacIain und sein Kumpan Coll aus Keppoch, die neuerdings unzertrennlich schienen, schlugen beständig etwas vor: Man solle ein Stück weit nach Norden ziehen und da oder dort eine von Willies allgegenwärtigen Garnisonen in Grund und Boden brennen; man solle ein Nest von Verrätern plündern; man solle sich schadlos halten, auf welche Weise auch immer, nur schnell und blindlings und mit sämtlichen verbleibenden Kräften.
    Sandy Og verstand, was Coll und seinen Vater umtrieb. Es war der verzweifelte Wunsch, nicht denken, nicht erkennen zu müssen, nicht mit hängenden Köpfen vom Feld zu trotten, sondern aufzustampfen, als ließe die Schlappe sich auswetzen, indem man nicht auf sie achtete.
    Eine Gräuelgeschichte machte die Runde: Hugh MacKay habe auf seinem Zug zwölf Meilen fruchtbares Hochland verbrennen lassen – zwölf Meilen, das entsprach der Länge von Glencoe! Dass Kriegsgegner einander das Land verbrannten, war zwar nichts Neues, aber neu und erschreckend war, dass Hugh MacKay aus dem Hochland stammte, dass dieses unbrauchbar gemachte Land sein eigenes war. Sollte die Geschichte nur einen Funken Wahrheit enthalten, wollte Sandy Og nicht wissen, was sie bedeutete.
    Warum mache nicht ich den unaussprechlichen Vorschlag?, fragte er sich. Dann gehen sie alle auf mich los, und ich bekomme endlich die Prügelei, auf die ich scharf bin. Vielleicht muss ich Dresche beziehen, dass mir Hören und Sehen vergeht, um wieder klar zu denken.
    »Wir haben verloren«, fuhr er mitten in irgendeinen Unsinn von Coll, »so gründlich verloren, dass wir hier nichts mehr ausrichten können. Wir müssen nach Hause gehen. Schlachten. Mart für den Winter einsalzen.«
    In dem kleinen Saal, in dem der Laird von Atholl zu Getränken und Naschereien einzuladen pflegte, raschelte es mit einem Mal, als gäbe man auch jetzt einen solchen Empfang und aufgeputzte Frauen in Seidenkleidern kämen eben durch die Tür. Das Rascheln schwoll, ging in Getuschel über, in Sandy Ogs Schädel aber rauschte nichts. Dieses Mal hatte er keine Angst.
    »Bevor ihr losprescht, um diesem vorlauten Kerl was auf den Schnabel zu geben, hört erst mich an«, sagte Lochiel. »Er hat recht. Es ist fast Oktober. Wir müssen neue Kraft sammeln. Alles andere wäre Dummheit.«
    »Und was sagst du deinem König, Ewen?« Der MacIain höhnte wie ein altes, verletztes Kind. »Dass seine Hochländer ihn verlassen wie eine Rattenmeute den lecken Kahn?«
    »Lasst mich durch!« Ewen Cameron bahnte sich einen Weg zwischen Stehenden und am Boden Sitzenden hindurch, trat vor den Freund und legte ihm die Hände auf die Schultern. »Nein, mein Alter. Ich schreibe ihm nach Irland, dass er auf die tolldreisten, unerschütterlichen Kerle dieser Insel zählen kann. Dass wir da sein werden, wenn er uns ruft. Dass wir aber todmüde und angeschlagen sind und Zeit brauchen. Um unser Weibsvolk über den Winter zu bringen und der Toten zu gedenken.«
    Was der MacIain zur Antwort gab, hörte Sandy Og nicht, denn sein Vater zischte es zu Lochiel hinauf, als ginge es keinen als sie beide etwas an.
    »Ja, lasst es uns so machen. So haben wir es ohnehin geplant.« Wie erlöst stimmten Cannon und Dunfermline dem Vorschlag zu, kehrten ihn hin, als hätten sie selbst ihn ihren Leuten angetragen.
    Bei den Männern mischte sich Erleichterung mit Scham, weil man so sang- und klanglos aufgab und seinen König im Stich ließ, weil alles auf einmal ohne Sinn und Nutzen erschien – der Glanz von Killiecrankie ebenso wie das sudeligeSchlachten von Dunkeld, die zahlreichen Opfer, die Brüder, Schwäger, Söhne, der strahlende Dundee. Der Sommer, den sie erfüllt von höchsten

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