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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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seinem Schenkel hatte sich eine Wunde entzündet, die Träume saugten an seinen Kräften, und dass niemand sprach, machte es härter, sich wach zu halten. Er hatte Glück: Wenn er für Augenblicke im Sattel des Schecken einschlief, weckte ihn stets ein Schwellen des Regens, manchmal ein Hagelsturm. Bald begann er sich in der Landschaft, durch die sie streiften, vertraut zu fühlen wie in weichgetragenen Kinderkleidern. Er erkannte den schwarzen Wald wieder, die gereckten Finger der Berge, die ihr Rot verschleudernden Heidehänge, und wusste, dass sie nicht mehr lange unterwegs, sondern binnen Kurzem in Glencoe sein würden.
    In dieser Nacht schlief Sandy Og tief und traumlos, und am Morgen erinnerte er sich an etwas, das er nach dem Aufbruch aus Dalcomera gedacht hatte, vor Killiecrankie: Alles in mir sehnt sich nach Glencoe. Und ganz Glencoe ist Sarah. Vielleicht würde es trotz allem gut sein, nach Hause zu kommen und statt zu zerschlagen wieder etwas aufzurichten.
    Er hatte angenommen, sie würden um Glenlyon herumziehen, auch durch Glenlyon hindurch. Warum auch nicht? Rob Campbell hatte General Cannon einen Brief mit einer Entschuldigung gesandt und erklärt, seine Männer seien unabkömmlich, nach schweren Jahren ginge es mit dem Tal nur schleppend bergauf, es könne keine Hand entbehren. Nichts stand darin von Bekenntnissen zum Willie. Im Gegenteil: Glenlyon bat das Heer der Jacobiten um Schutz für seine Familie.
    Es war ein nebliger Morgen, an dem man kaum den Rücken des Mannes sah, der vor einem hermarschierte, und sie führten die wenigen Pferde, die ihnen geblieben waren, zu deren Sicherheit am Zügel. Sandy Og erinnerte sich daran, wie neblig es gewesen war, als er mit Sarah aus Glenlyon weggeritten war. Ich wünschte, ich könnte einfach nach Hause gehen, zu meiner Frau, die keine Fragen stellt. Warum passt zwischen Männer und Frauen, zwischen den Vater und die Mutter, zwischen John und Eiblin, zwischen Gormal und James, der nicht mehr kommt, so wenig Luft und zwischen mich und meine Frau die halbe Welt? Ließe sich die halbe Welt nicht ausräumen? Er legte sich Worte zurecht, die er sagen könnte, die etwas ungeschehen machten. Dann riss der MacIain ihn aus den Gedanken. »Sandy Og!«, brüllte er. »An meine Flanke, links!«
    Sandy Og gehorchte. Der MacIain saß schon auf dem Grauen, und zu seiner Rechten stieg Big Henderson aufs Pferd. »Los, auf den Gaul mit dir!« Seines Vaters Gillimore, sein Schwertträger, hielt ihm das beidseitig geschliffene Claymore entgegen, das ihm auf einmal zu schwer erschien.
    »Was geht hier vor?«, fragte Sandy Og.
    Der kleine Coll aus Keppoch trieb sein Pony nach vorn. »Wir stürmen Glenlyon!«, grölte er. »Wir machen den Verrätern Feuer unterm Arsch! Wir holen uns unser Winter-Mart!« Sein Lachen hallte durch den Nebel. Pflanzte sich fort. Wurde scheppernd und erstarb.
    »Ihr seid ja verrückt«, sagte Sandy Og. »Ihr habt dazu kein Recht. Glenlyon steht unter General Cannons Schutz.«
    Was würde er tun, wenn sein Vater auf ihn losginge? Sich wehren, wie er es sich als Knabe gewünscht hatte, den eigenen Vater schlagen, sich verkeilt mit ihm am Boden wälzen? In der winzigen Zeitspanne, da er auf Antwort wartete, gab es nichts mehr, das er sich nicht zutraute, und neuerlich bekam er Angst vor sich selbst. Wie vor Achallader, nur wilder, schwärzer. Wer rettete ihn diesmal vor dem Brand in ihm?
    Der Vater stierte ihn nur an. In Sandy Ogs Ohren rauschte es. Er sah, wie der MacIain die Lippen bewegte, hörte aber nichts. Sein Vater hob die Hand und winkte ihn zu sich.
    Näher. Noch näher. Wozu? Damit du mir deine Gerte ins Gesicht schlagen kannst?
    Er trat auf den Vater zu. »Ich tu bei diesem Wahnsinn nicht mit.« Das Rauschen schwoll.
    Näher. Noch näher.
    Er stand so dicht vor dem Leib des Grauschimmels, dass er dessen Atem spürte, das Dampfen des Fells. Der Schlag der Gerte würde das Rauschen zerschneiden, und Sandy Og stand still und hatte Angst, dass er den Vater töten könnte. Es kam kein Schlag. Nur des Vaters Stimme im Rauschen. »Arme Weiber! Der einen hab ich einen vor Schmach kranken Mann geschickt, der andern bring ich den Mann nicht mehr heim, und der dritten muss ich sagen, dass ihr Mann ein Feigling ist, der den Arm so wenig hochkriegt wie den Schwanz.«
    Wenn jemand lachte, so schluckte es das Rauschen.
    »Ist irgendwas in dir, Sandy Og? Irgendein Blut, eine Hitze, eine Leidenschaft? Oder bist du nur eine Lumpenpuppe, die mir meine Morag mit

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