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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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Schmerz verwandle sich in Zorn. Wer Sandy Og zu kennen glaubte, hätte sich über so viel Zorn in ihm gewundert.
    Lochiel kam zurück, wohl weil er wusste, dass der trottelige Cannon der Lage auf der Festung nicht gewachsen war und keine Entscheidung treffen würde. Er hatte den Umweg durch Glencoe auf sich genommen, um die aus Dunkeld erhaltenen Nachrichten an die Frauen auf den Hängen des Black Mount weiterzureichen, unter ihnen Sandy Ogs Schwester Gormal. Für das Heer der Hochländer brachte er ebenfalls Nachricht: »König Jamies Armee ist in Irland geschlagen worden«, berichtete er. »Wir haben Belfast verloren.«
    Zorn erfasste das Lager und machte sich Luft in Gegröle und Zähnefletschen, später in Saufgelagen und Schlägereien. Früher hatte Sandy Og den Zorn seiner Gefährten nicht teilen können, heute aber hätte er es ihnen gern gleichgetan und wie sie Schüsseln und Becher zerschmettert. Oder sich eine Frau genommen, brennend und rücksichtslos, all den Zorn, das Grauen und die Lebensgier in den Körper einer Frau gestoßen. Eine Plane, mit der sie ihre Waffen abdeckten, riss er sinnlos in Fetzen – endlich schien er wie die anderen, auch wenn sich seinZorn nicht gegen den Feind richtete. Dies aber ängstigte ihn mehr als alles andere.
    Hartnäckig wie ein spät verliebtes Weib suchte Lochiel ihn beiseitezunehmen. »Ich sehe, dass es dir nicht gut geht, Freundchen. Ehe du dich blindlings in ein Unglück stürzt, hätte ich ganz gern mit dir gesprochen.«
    Sandy Og wich ihm aus. »Ich weiß nicht, was Ihr redet. Mir geht es gut.«
    Das war gelogen. Es ging ihm elend, nicht nur weil der Zorn ihn von innen fraß, nicht nur weil seine Wunden brannten, sondern mehr noch wegen seiner Träume. Nacht für Nacht hielt ihn die Angst vor ihnen wach, bis die Erschöpfung siegte und er in einen unruhigen Schlaf fiel – und von Blut träumte. Turmhohe Wellen von Blut bäumten sich über ihm und rasten auf ihn nieder; sie erstickten ihn, ersäuften ihn, begruben ihn unter sich. In den Blutströmen zwei Gesichter: das eines Mannes, den er kannte, auf dessen Namen er sich jedoch nicht besann, und das des Schwagers von Achtriachtan. James. Das Gesicht des Namenlosen war heil, nur wild vor Angst, das des Schwagers zerschmettert, die Angst erstarrt. Der Schrei, der durch den Traum gellte, mochte sein eigener, der des Schwagers oder des Namenlosen sein. In jeder Nacht hoffte er, von der Gewalt des Schreis zu erwachen, aber er erwachte nie, und der Albtraum währte endlos.
    Nein, es ging Sandy Og nicht gut. Zorn und Schmerz und die Qual der Nächte machten ihn zu einem Bündel zuckender Glieder, das jeden Augenblick einem Mann an den Hals springen konnte. Er ging umher wie ein Satz Sprengstoff, mit dem niemand rechnete. All die Kerle, die ihn für einen harmlosen Simpel hielten, mochten ihr blaues Wunder erleben.
    Lochiel versuchte, zu ihm von Sarah zu sprechen, aber Sandy Og herrschte ihn an, er möge ihm seinen Frieden lassen. Sarahs Namen anzurühren schien ihm unzulässig. Er starrte vor Schmutz – in den Haaren, am Leib, unter Fuß- und Fingernägeln. Er könnte sich stundenlang in seifigem Wasser waschen, wie seine Frau es ihm mischte, und bliebe doch schmutzig.
    Hätte die Festung Blair nicht so allein auf leerer Flur gelegen, hätte er die Möglichkeit gehabt, wäre Sandy Og gern in ein Hurenhaus gegangen. Zuletzt war er in Paris in einem gewesen, in jenem schrecklichen Jahr, in dem er nichts gewollt hatte, als heim nach Glencoe zu flüchten. Damals war er in das Hurenhaus gegangen, als stecke Glencoe darin. Jetzt hätte er in eines gehen wollen, um sich Glencoe auszutreiben, aber es gab ja keines, und aus dem Rudel Huren, das dem Heer wie letzte Mückenschwärme folgte, war nie eine zu haben, stets waren andere Männer schneller.
    Als Nächstes versuchte Lochiel, ihn mit seiner Schwester Gormal zu ködern, aber an Gormal mochte Sandy Og ebenso wenig denken wie an Sarah. Sie hatte ihn einmal wie ihr Milchkind in den Armen gewiegt, als seine kindliche Welt zerbrochen war. Als Gormal dafür von der Mutter bestraft worden war, hatte sie es nie wieder getan, nur manchmal im Dunkel der Nacht für ihn gesungen. Sandy Og war sicher, dass er ohne ihren Trost gestorben wäre. Sie war damals ein Mädchen mit Zöpfen und sich gerade erst wölbenden Brüsten gewesen und er ein Rotzbalg mit verschorften Knien. Jetzt war sie eine Frau, die schon grau wurde, und er ein plumper, großer Kerl. Er würde nach Hause kommen

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