Glencoe - Historischer Roman
Fetzen gestopft und in die Wiege gelegt hat, damit ich nicht merke, dass die schwarzen Feen mir den Sohn gestohlen haben?«
Ich zeig dir die Antwort, dachte Sandy Og so ruhig wie Eis.Eine Gier zu zerstören überfiel ihn. Auch sie war wie Eis: kalt und glasig. Und er bemerkte sie erst, als er das Holz seiner Gerte zerbrochen in den Händen hielt. Achtlos warf er die Stücke weg, drehte sich um, wies den Gillimore an, ihm statt des Claymore eine Axt zu beschaffen.
Er nahm die Waffe in die rechte Hand und bestieg den Schecken. »Ich bin fertig«, sagte er.
Sie brachen nach Glenlyon ein wie ausgehungerte Hunde, die Handvoll Reiter voran, die übrigen als bellendes Rudel hinterdrein. Es hätte nicht halb so vieler Männer bedurft. Das offene, schlecht gedeckte Tal war unbewacht, Rob Campbell mit seinen Männern nicht daheim, nur ein paar Weiber und Kinder, die eben von den Sommerweiden kamen – Hochlandfrauen mit Arisaids und Zöpfen und barfüßige Kinder. So wie unsere. Wie in Glencoe zogen sich kleine Gruppen von Häusern und Stallungen den Fluss entlang. Aufgereihte Perlen. Nur die vielen Feuer – Kerzen, die ein Reicher ansteckte – fehlten; durch den Nebel glänzten nasse Dächer und an Schnüre gefädelte Heringe.
Sandy Og hatte die Gelenke seines Pferdes stets geschont, denn das Tier war ihm teuer, und er wusste, dass es ihm gab, was es vermochte. Heute aber trieb er es mit Schenkelhieben in Galopp, sobald sie den Pass überwunden hatten. Er wartete nicht auf den Befehl des Vaters, er hatte seinen eigenen: Mach drauf, Feigling! Zeig, was du hochkriegst! Schlag die Welt in Trümmer! Dass Worte einen Mann so vorwärtspeitschten, war Irrsinn, aber die Worte ließen frei, was in Sandy Og tobte: die Gier, die nicht länger kalt war, der Zorn, der aus ihm herausbrach, als wolle er ihn zerreißen.
Das erste Gebäude, auf das er in Wirbeln aus Erdbrocken zuhielt, war ein Koben für vier Sauen. Einen Schritt vor der Seitenwand zügelte er den Schecken so hart, dass der sich bäumte. Er zog die Axt mit beiden Händen vom Gurt und schwang sie,wie er gelernt hatte, das Schwert zu schwingen. Kurz betrachtete er das kümmerliche Bauwerk, zugig und windschief, wie er selbst eines gebaut hatte. Dann prallte, hackte, krachte die Schneide ins Holz, das splitterte, knickte, platzte. Die Sauen flitzten samt Ferkeln unter einstürzenden Latten hindurch, und ihr Quieken setzte dem Rauschen Spitzen auf.
Es ist ganz leicht. Hitze, Schmerz und Lust. Sandy Og sprang vom Pferd und drosch auf die Trümmer des Schweinekobens ein, bis alles versprengt am Boden lag.
Er ließ den Schecken achtlos stehen, rannte weiter und hieb ein Regenfass und einen Futtertrog kaputt, aber das ließ ihn kalt, er brauchte mehr. Zu seiner Rechten sah er fünf Mann in eine Hütte eindringen, wandte sich nach einer Hütte zur Linken, fand ein winziges Fenster, zu klein, um einen Mann einzulassen, und hieb die Axt in die Wand. Lehm und Flechtwerk spritzten ihm in die Augen, und noch immer haute er in blinder Wollust zu. Das Getöse war unglaublich: Rauschen, Donnern, Kreischen, Klirren, Poltern, Prasseln. Im Innern des Hauses schlug er unter dem berstenden Dach im Kreis um sich, zerschmetterte mit einem Hieb Tisch und Stuhl, jagte die Axt ins Heidelager, dass es staubte. Ein Stück Dachbalken fiel ihm auf den Kopf. Das halb geröstete Huhn daran schlug er zu Brei. Einige Frauen flohen.
Weiter, weiter!
»Deiner Frau sag ich, dass ihr Mann ein Feigling ist, der kriegt den Schwanz nicht hoch.«
Wie er das Huhn zerschlagen hatte, zerhieb er im nächsten Haus einen Schinken und konnte nicht aufhören, bis Fleisch und Knochen zur Unkenntlichkeit zermahlen an Decke und Wänden klebten. Er zerhackte Truhen und Wandschränke, haute Schüsseln, Becher, Krüge entzwei und watete durch Scherben, spaltete Mauern, verbeulte Kessel und Wannen, drosch Vorräte platt, ließ dünnes Bier verströmen und aus geborstenen Würsten Zerstückeltes platzen. Trümmer stürztenihm auf Rücken, Kopf und Schultern, aber Sandy Og stürmte weiter, ohne innezuhalten.
In seinem Nacken hörte er sie lachen. Die anderen, die das Vieh von den notdürftig umzäunten Weiden trieben, ein paar Rinder, ein paar Ziegen und eine erstaunliche Menge Schafe. Sandy Og zerhackte Tränken und Unterstände, hieb klaffende Spalten in Gras und Erde, pflügte Zaunpfähle um, führte die Axt wie die Sichel, war der Schnitter, mähte nieder, was im Weg stand.
Von Chesthill hinab trieben die übrigen
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