Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glennkill: Ein Schafskrimmi

Glennkill: Ein Schafskrimmi

Titel: Glennkill: Ein Schafskrimmi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
Vom Netzwerk:
Maple. »Merkt ihr etwas? Früher hätte es Gabriel niemand zugetraut. Weil wir ihn mochten. Und jetzt ist er verdächtig. Weil wir ihn nicht mehr mögen. Vielleicht machen wir einen Fehler. Der Mörder könnte auch jemand sein, den wir mögen.«
    »Wenn er der Mörder ist, würden wir ihn nicht mehr mögen«, erklärte Heide entschieden.
    »Aber vielleicht mögen wir ihn jetzt noch«, sagte Miss Maple.
    »Rebecca?«, blökte Cloud erschrocken.
    »Was wissen wir schon von ihr – außer dass sie gut riecht«, sagte Miss Maple. »Sie taucht einfach nach Georges Tod auf. Sie tut so, als wäre sie wegen des Tourismus da, aber das stimmt nicht. Sie versucht, Dinge über George herauszufinden.«
    »Sie will auch den Mörder finden«, sagte Othello.
    »Oder verhindern, dass der Mörder gefunden wird. Sie hat gefragt, ob es Verdächtige gibt. Vielleicht will sie nur wissen, ob ihr jemand auf der Spur ist.«
    Es schien nicht ganz unplausibel. In den Pamela-Romanen waren schöne Töchter häufig die Todesursache ihrer Väter. Trotzdem konnte sich kein Schaf mit dieser Theorie anfreunden.
    »Sie hat mir die letzte Tomate geschenkt«, sagte Othello. Einige Schafe sahen Maple trotzig an. War jemand, der so etwas tat, zu einem Mord fähig?
    Aber Miss Maple blieb störrisch. »Sie kommt nicht von hier. Sie hat keine Angst, dass etwas herauskommt. Sie weiß nicht einmal, dass etwas herauskommen kann. Und erinnert ihr euch daran, was Beth gesagt hat, von dem Spaten, der Leiche und den Hunden des Teufels?«
    »›Können Sie sich vorstellen, was für ein Grauen dieser Verlorene gefühlt haben muss, an der Leiche, mit dem Spaten‹«, sagte Mopple.
    »Genau.« Miss Maple sah Mopple the Whale anerkennend an. »Aber Rebecca kommt nicht von hier. Sie hatte keine Ahnung von den Hunden des Teufels. Sie hätte bestimmt auch kein Grauen gefühlt.«
    »Sie ist mutig, na und?«, schnaubte Othello. »Das beweist überhaupt nichts.«
    »Das stimmt.« Miss Maple seufzte. Die Schafe konnten sehen, wie müde sie war. »Es beweist überhaupt nichts.«
    Gedankenverloren begann sie, in der Enge des Heuschuppens auf und ab zu traben. Einige Schafe, die von ihr zur Seite gedrängt oder angerempelt wurden, blökten empört, aber Miss Maple schien sie nicht zu hören.
    »Die kleinen Rätsel lösen sich«, murmelte Miss Maple. »Eines nach dem anderen, wie Knospen aufgehen. Wir wissen jetzt, warum der Metzger und Josh im Nebel auf der Weide waren – wegen dem Ding. Und wer sich gebückt hat und was er hingelegt hat: Josh das Ding. Wer der Wolfsgeist ist – und wer der Meisterjäger. Aber was ist mit dem großen Rätsel? Was ist mit dem Mord? Wieso passt das nicht?«
    Sie trabte zügig auf Sara zu, die ihr im letzten Augenblick ausweichen konnte.
    »Vielleicht muss ja auch nicht immer alles passen. Vielleicht ist es ein Fehler zu glauben, dass immer alles zusammenpassen muss. In dem Krimi sollte alles zusammenpassen, und dann hat es sich verheddert, und George hat das Buch weggeworfen. Vielleicht ist die Lösung ja, dass manche Dinge einfach nicht zusammenpassen. Dinge, von denen wir glauben, dass sie etwas miteinander zu tun haben, und die in Wirklichkeit doch nichts miteinander zu tun haben.«
    Miss Maple war stehen geblieben.
    »Wir müssen uns mehr auf das große Rätsel konzentrieren«, erklärte sie. »Das große Rätsel … ist … der Spaten!«
    Miss Maple schwieg lange. Zuerst sah es so aus, als würde sie sehr gründlich über irgendetwas nachdenken. Aber bald darauf verrieten tiefe und gleichmäßige Atemzüge, dass das klügste Schaf von Glennkill eingeschlafen war.
     
    *
    Am Morgen fauchte draußen das Meer, und gelbliches Licht ließ die Luken des Heuschuppens glimmen wie Katzenaugen in der Dunkelheit. Doch die Vögel sangen unbekümmert ihre Morgenlieder. Schließlich mischte sich, erst von ferne, dann näher und näher, ein dissonanter Vogel in ihren Chor.
    Die Schafe spähten aus dem Heuschuppen und sahen, wie Gabriel sich wieder einmal auf den Stufen des Schäferwagens niederließ. Er pfiff.
    Durch zarte Morgennebelschleier blickten die Schafe böse zu ihrem neuen Schäfer hinüber.
    »Er muss weg!«, sagte Heide.
    Niemand widersprach ihr.
    »Aber wie?«, fragte Lane.
    Sie beobachteten Gabriel, der festgewurzelt wie eine Klippenkiefer auf den Stufen hockte und sich in Pfeifenrauch hüllte. Unvorstellbar, dass ein Schaf – oder sogar eine ganze Herde – etwas dagegen unternehmen konnte.
    »Angst«, sagte Zora. »Wir müssen ihm Angst

Weitere Kostenlose Bücher