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Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Titel: Gletscherkalt - Alpen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan König
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Mensch so lange damit gewartet hat. Kann es mir selbst nicht erklären.
Aber ich bin mir ganz sicher, dass der Tod von Carla 1979 mit dem Mord an Spiss
einunddreißig Jahre später ganz unmittelbar zu tun hat.«
    Ellen kam mit einem kleinen Tablett herein, stellte Schalen mit
Salzstangen, gerösteten Erdnüssen, mandelgefüllten Oliven und fingerfertigen
Parmesanstückchen auf den Tisch – mitten hinein zwischen Zeitungen, CD -Booklets, die Gläser und Flaschen. Wortlos machte
sie sich wieder davon.
    »Die Frage ist: wer?«
    Es war Pablo, der die Frage in den Raum stellte. Und der danach
knirschend zwei, drei Salzstangerl auf einmal zerkaute.
    »Das ist immer die Frage«, sagte Hosp lakonisch.
    Das Telefon klingelte. Es lag irgendwo draußen im Flur; Ellen ging
dran, die anderen schwiegen und versuchten herauszufinden, wer der Anrufer wohl
war.
    »Reuss«, sagte Ellen, die hereinkam und das Telefon an
Schwarzenbacher weitergab. »Ich glaube, er will wissen, ob ihr Fortschritte
macht.«
    Schwarzenbacher zog verächtlich eine Augenbraue in die Höhe.
    Das Telefonat dauerte nicht lange. Als er dann nach höchstens zwei
Minuten die rote Aus-Taste am Telefon drückte, sagte er: »Reuss sieht es
genauso. Irgendjemand nimmt späte Rache. Der Vater vielleicht. Die Mutter. Oder
auch ein Mann, der damals ihr Jugendfreund gewesen sein könnte.«
    Marielle wollte das nicht akzeptieren. »Warum wartet jemand dreißig
Jahre darauf, Rache zu nehmen?«
    »Sie hat recht«, sagte Pablo. »Wie kann man den Hass so lange am
Schwelen halten?«
    Er bekam keine Antwort darauf.
    Niemand wusste eine Antwort darauf.
    Jeder im Raum schien sich ganz den eigenen Gedanken hinzugeben, den
Überlegungen, wie man selbst reagiert hätte in der Situation eines vom
Schicksal so gestraften Menschen. Wäre man in der Lage, jemanden zu töten? Und
hätte man die unglaubliche, ja die wahnsinnige Kraft, dieses Vorhaben über
Jahrzehnte aufrechtzuerhalten? Es gleichsam auf kleiner Flamme köcheln zu
lassen, um dann plötzlich ein großes Feuer zu entfachen?
    »Der Vater ist alt. Um die achtzig.« Hosp fasste sich als Erster
wieder. »Ihm könnte man eine solche Tat zutrauen. Ihm hat das Unglück seiner
Tochter das Leben zerstört. Alkohol, Beruf passé, Frau weg – das volle Programm
für den völligen Absturz. Aber er ist zu alt, zu schwach, und er ist ziemlich
kaputt im Kopf. Wahrscheinlich kennt ihr ihn eh. Er ist dieser Sonderling, der
oft durch die Altstadt tippelt und halblaut irgendwelches Zeug vor sich hin
murmelt. Und oft steht er auch vor den Kirchen, geht rein oder kommt raus und
wirkt dabei orientierungslos. Ein armer Irrer, wirklich.«
    »Was ist mit der Mutter dieses Mädchens?«
    »Da hätten wir gerne angesetzt. Von ihr hätten wir uns zumindest
halbwegs vernünftige Informationen erhofft. Aber sie ist im vergangenen Herbst
gestorben. Wasle ist dran herauszufinden, ob das Mädchen damals einen
jugendlichen Liebhaber hatte – nicht nur den alten Sack Spiss, der sie wohl ein
bisschen ausgehalten hat. Doch es dürfte nicht einfach sein, so etwas nach so
langer Zeit herauszufinden.«
    »Und wie können wir dir nun helfen?« Es war Schwarzenbacher, der
diese Frage stellte.
    »Bis jetzt ist nichts davon nach draußen gesickert, dass Spiss
ermordet worden ist«, sagte Hosp. »Die Presse geht von Selbstmord aus, und
seine Angehörigen halten im eigenen Interesse vorerst dicht. Es ist aber nur
eine Frage der Zeit, bis diese Wahrheit ans Licht kommt. Bis dahin könntet ihr
mir helfen, indem ihr ein Auge auf den Vater werft.«
    Er sah alle nacheinander an. Sah in die Augen von Schwarzenbacher
und entdeckte ein kleines Leuchten darin. Sah in die fragenden Gesichter von
Marielle und Pablo und sagte dann: »Schaut doch nicht so, als wenn ihr nicht
verstehen würdet. Wenn ich ›ein Auge auf ihn werfen‹ sage, meine ich:
Beobachtet ihn. Wechselt euch ab und studiert, was er tut. Wohin er geht, wen
er trifft. Findet seinen Lebensrhythmus heraus. Achtet auf jede Kleinigkeit …«
    »Brauchst mir nicht zu sagen«, warf Schwarzenbacher mit einem
Grinsen ein.
    »Dir nicht. Aber den Youngsters hier sage ich es.«
    Er nahm einen Zettel aus der Jacketttasche und legte ihn auf den
Tisch.
    »Da wohnt der Mann. Er heißt Manczic. Und irgendwann wird er das
Haus verlassen, und dann sollte jemand von euch in der Nähe sein.«
    »Und du meinst, dass dieser alte Mann in der Lage wäre …«
Schwarzenbacher war skeptisch.
    »Ich meine gar nichts«, sagte Hosp. »Aber

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