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Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Titel: Gletscherkalt - Alpen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan König
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Coins aufzusammeln.
    Drei Kirschen. Sie hatten ihm umgerechnet etwa
dreitausendfünfhundert österreichische Schillinge eingebracht.
    Jetzt waren wieder drei Kirschen da. Drei Übeltaten, deren er sich
bewusst geworden war. Glückstreffer? Oder Stempel unter sein Schicksal?
    Einmal, in ganz jungen Jahren, hatte er seinem bis dahin besten
Freund die Freundin ausgespannt. Sechzehn war er da gewesen, höchstens
siebzehn. Paula hatte sie geheißen. Der Freund hatte das nicht verwunden,
obwohl sie ihm ohnehin nicht mehr lange geblieben wäre, genauso wie sie
Hellwage nur als Zwischenstation benutzt hatte. Er hatte immer ein schlechtes
Gewissen gehabt, sein ganzes Leben lang. Und er hatte es bedauert, dass die
Freundschaft deshalb zerbrochen war. Doch diese Geschichte war nun schon viel
zu lange her – und der Freund von damals würde das Mädchen längst vergessen
haben. Liebe ließ sich so lange doch gar nicht halten. Höchstens Hass …
    Hellwage horchte wieder. Er schrie und stöhnte und horchte, ob so
etwas wie eine Reaktion darauf kam. Er roch sich selbst, doch er maß dem jetzt
keine Bedeutung bei. Was zählte, was jetzt ganz allein zählte, war, die Ursache
für diese Bestrafung herauszufinden: die zweite Kirsche.
    Der lange Streit mit seiner Frau fiel ihm ein, die dem
vorausgegangene Affäre mit einer Bildjournalistin, der unselige Rosenkrieg.
Dass er nicht in der Lage gewesen war, wenigstens ehrlich zu sein … Auch das
eine Schuld, die er auf sich geladen hatte und die ihn belasten würde bis an
das Ende seines Lebens. Doch irgendwie hatten sie sich ja doch geeinigt, hatten
ihren Rückzug aus der Liebe und aus ihrem gemeinsamen Leben vernünftig geregelt
– der Gedanke, dass er wegen dieser Sache jetzt noch irgendwie und von
irgendwem bestraft werden sollte, war mehr als absurd.
    Die dritte und letzte Kirsche, die Schuld, die er sich ankreiden
musste, als er einen Mitbewerber um einen gut dotierten Redakteursposten –
einen langjährigen guten Kollegen übrigens – mit verschiedenen intriganten
Mitteln aus dem Rennen bugsiert hatte, bot die einzige Erklärung. Allerdings
war auch diese Begebenheit Jahrzehnte her – und wer würde, wenn überhaupt, erst
nach so langer Zeit einen Rachefeldzug starten? Der Kollege und er hatten sich
fortan gemieden, waren sich aufgrund auseinanderdriftender Berufslaufbahnen
auch gar nicht mehr allzu häufig begegnet, und wenn doch, so waren sie sich
ausgewichen, hatten jeden Kontakt vermieden, der Kollege beleidigt und
verbittert, Hellwage mit einem arrogantem Schutzwall, der besagen sollte, dass
es doch für alle Beteiligten das Beste gewesen war, dass der Bessere, er,
Hellwage, die Position im Medienhaus eingenommen hatte.
    Klar, dieser Mann hatte ihn gehasst. Doch der war mittlerweile
längst im Ruhestand, und es war mehr als unwahrscheinlich, dass er von diesem
vor langer Zeit gedemütigten Kollegen hier an den Balken gebunden worden war.
    Wieder horchte er in die Stille hinein. Er hörte einen Traktor, der
in einiger Entfernung vorbeituckerte und dessen Motorengeräusch sich allmählich
verlor.
    Panik stieg in Hellwage auf.
    Wer, wer, wer hat mich in diese Situation gebracht? Wem habe ich
etwas so Schlimmes angetan, dass er mich so sehr hasst? Wer kommt hier durch
die Tür, um mich mit vollgeschissenen Hosen zu sehen, ein Häufchen Elend,
gedemütigt und zerbrochen?
    Und wenn niemand kam? Wenn die Strafe darin bestand, ihn hier zu
fesseln und in dieser fürchterlichen Lage langsam verenden zu lassen?
    »Hilfe … Hilfe … Hilfe …!«, schrie er. Aber sein Rufen verhallte
ungehört. Allzu abseits lag sein Häuschen, und dass jemand zufällig vorbeikäme,
war beinahe ausgeschlossen. Die Post ließ er sich noch immer nach Innsbruck
schicken. Und zu den Menschen in den Dörfern der Umgebung hatte er einen
freundlichen, aber auch zurückhaltenden Kontakt. Er kannte mittlerweile viele
hier, und die meisten kannten ihn. Doch er hatte immer eine besondere
Reserviertheit an den Tag gelegt und stets drauf geachtet, dass niemand in
seine Privatsphäre eindringen konnte. Jetzt bereute er das. Und wie er es
bereute! Doch das half alles nichts.
    Ich bin hier allein, dachte er. Irgendjemand will mich verhungern
und verdursten lassen. Und niemand wird kommen, um mich zu befreien. Er begann
zu schluchzen und zu heulen. Und dann konnte er seinen Urin nicht mehr
zurückhalten. Warm lief er in die Unterhose, wo sich bereits sein Kot
breitgemacht hatte. Er hätte sich vor sich selbst

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