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Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Titel: Gletscherkalt - Alpen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan König
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Österreicher
ist das. Das weiß ich genau. Der kommt aus Innsbruck.«
    »Deswegen ist er doch ein Deutscher«, sagte die Frau.
    »Der wird gesucht«, sagte die Frau an der Kasse. »Schauts her, da
steht’s: ›Wegen einer dringenden behördlichen Angelegenheit möchte sich der
Gesuchte bei der Bundespolizei Innsbruck, Telefon 0043 …‹, und so weiter,
und so weiter, ›oder aber bei der Kriminalpolizei in Bozen …‹ Der hat was
ausgefressen, das sag ich euch, sonst sucht man doch den nicht über die
Zeitung.«
    »Ich kenn den«, sagte eine Frau, die sich mit ihrem Einkaufskorb
nach vorn schob. »Der hat des alte Häusl vom Demetz gekauft und hergerichtet.
Ist ein Pensionär. Sehr zurückgezogen. Was ist denn mit ihm?«
    »Ausgefressen hat er was«, echauffierte sich die Kassenfrau. »Suchen
tuns ihn. Das ist mit ihm los.«
    Es waren nicht viele Leute in dem kleinen Geschäft, doch es hob nun
ein Geraune und Geplappere an, dass man hätte glauben können, ein Bienenschwarm
hätte sich zwischen Reis-und Nudelpackungen, zwischen Bier-, Wein-und
Colaflaschen, zwischen Schokoladentafeln, Gebäck und Salzgebäck verirrt. Alle
hatten eine Meinung, alle redeten mit – und alle redeten durcheinander. Das
ging so lange, bis alles und noch mehr gesagt war. Dann kehrte Stille ein, so
plötzlich, als hätte der Bienenschwarm durch ein offenes Fenster einen Ausweg
gefunden und wäre auf und davon.
    »Man muss die Polizei anrufen«, sagte ein alter Mann, der mit dem
Schaber, dem typischen blauen Südtiroler Schurz, zum Einkaufen gegangen war.
    »Wenn der Mann gesucht wird und wir wissen, wo er sein könnte,
müssen wir die Polizei anrufen.«
    Allgemeines Nicken bei den Leuten im Laden. Die Kassiererin streckte
die Hand schon nach dem Telefon aus, das neben der Kasse stand.
    »Warte noch«, sagte der Alte. »Vielleicht sollten wir noch nicht
gleich anrufen. Wir könnten ja erst einmal zum Demetz-Häusl fahren und schauen,
ob er da ist.«
    »Bist denn ganz narrisch!«, ereiferte sich eine weitere Kundin.
»Wenn der auf uns schießt! Wer weiß, was der ausgefressen hat …«
    Der Alte schüttelte den Kopf. »Glaub gar net, dass der was
ausgfressen hat. So wie das klingt, was da in den ›Dolomiten‹ steht, glaub ich
eher, dass er vermisst wird. Vielleicht was passiert in die Berg … Abgestürzt,
verlaufen, oder einfach ein Herzinfarkt irgendwo, wo keiner ihn findet. Oder …
dass ihm einer was angetan hat …«
    Die alte Frau, die Hellwage als Erste erkannt hatte, bekreuzigte
sich und sagte halblaut: »Der Herrgott möge uns beistehen. Jetzt und in der
Stunde unseres Todes. Amen.«
    »Ich fahr da nicht hin«, sagte die Kassiererin. »Ich kann hier nicht
weg. Kann doch den Laden nicht einfach so zusperren. Kommt ja gar nicht in
Frage.«
    Der Alte verwies auf sein Auto, das er vor der Kirche geparkt hatte,
und sagte, dass er schon hinfahren würde, aber nicht allein. Es müsste schon
jemand mitkommen.
    »Ich komme mit«, sagte ein junger Mann, offensichtlich ein
Handwerker im Blaumann, der sich eine Brotzeit besorgen wollte und der bislang
noch gar nicht bemerkt worden war. »Wenn das nicht weit ist zu der Hütte, dann
fahre ich mit.«
    »Ich auch!«, sagte die Frau, die alles als Erste erkannt hatte. »Ich
auch!«
    *
    Marielle und Pablo fuhren hinauf in die »Steinerne Stadt«.
Beiden wäre es lieber gewesen, auch heute wieder eine Route zu klettern, in
mehreren Seillängen einen der Sellatürme hinaufzusteigen oder vielleicht am Piz
Ciavazes in einer langen, beinahe tagesfüllenden Tour einen der großen
Klassiker zu klettern. Doch was, wenn genau dann der Anruf von Schwarzenbacher
käme und er sagen würde, dass er sie beide irgendwo in Südtirol, in Bozen,
Meran oder Bruneck, brauchen würde?
    Die »Steinerne Stadt«, wenig unterhalb des
zweitausendzweihundertvierzig Meter hohen Sellajoches, war ein Labyrinth aus
Felsklötzen in allen Größen: Manche waren nicht höher als eineinhalb Meter,
andere so hoch und breit wie ein Einfamilienhaus. Es war ein Dorado für
Boulderer, jene Kletterer, die an vergleichsweise kleinen Blöcken höchste
Schwierigkeitsgrade meisterten, dabei ohne jegliche Sicherung, ohne Seil,
Haken, Karabiner auskommen konnten, weil sie sich nur wenig hoch über dem Boden
bewegten. Eine dicke Matte musste genügen, um bei einem Absprung aus zwei,
drei, vier Metern Höhe das Schlimmste zu verhindern.
    Sie waren zu früh losgefahren; jetzt war es noch ziemlich kalt in
dieser Höhe. Das gewaltige

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