Glitzerbarbie
bringe ich hervor und schaue schnell in eine andere Richtung, damit Pitbull nicht sieht, dass ich schon wieder fast losheule. Ich muss nämlich daran denken, wie das alles noch vor einem halben Jahr war. Da war ich gemütlich in Watzelborn, und alles lief in geordneten Bahnen. Wäre ich doch bloß nie mit Marius in diesen bescheuerten Urlaub gefahren. Dann hätten wir keinen Schiffbruch erlitten, und alles wäre so wie früher.
»Marius ist jedenfalls sehr glücklich«, sagt Pitbull.
»Na, das ist ja die Hauptsache.« Gott sei Dank hält meine Stimme.
»Bist du denn auch glücklich, Schatz?«, fragt mich Pitbull in einem Tonfall, den ein Vater seinem Sohn gegenüber anwendet, wenn er ihn trösten will, nachdem er von einer acht Meter hohen Blutbuche gestürzt ist und Helfer noch dabei sind, seine Beine zu suchen. Und seine Zahnspange. Aber die hat bestimmt bereits ein Rabe geklaut, die mögen doch blitzendes Metall.
Natürlich bin ich glücklich. Aber interessiert das Pitbull wirklich?
»Ja, ich bin sehr glücklich«, antworte ich und habe das komische Gefühl, dass ich mir selbst gegenüber nicht ehrlich bin.
»Aha«, sagt Pitbull mit der unausgesprochenen Gewissheit, dass ich die Unwahrheit sage.
Ich fühle mich ganz schrecklich hilflos. Am liebsten würde ich Pitbull auf den Arm springen und rufen: »Kann nicht einfach alles wieder gut sein?« Aber das geht natürlich nicht.
»Und mit dem Dingsda«, er schaut über die Schulter zu Roland, der allein an einer Birke steht und auf mich wartet, »ist mit dem da alles okay, Schatz? Ist er denn lieb zu dir?«
»Natürlich ist er das«, murmele ich, während ich aus den Augenwinkeln
verfolge, was Uschi und Marius gerade machen. Uschi sortiert die laufenden Meter ihres Traumkleides. In das ich gehört hätte. »Uschi sieht ja süß aus«, sage ich, nur um irgendwas zu sagen.
»Na ja, aber es geht ihr momentan nicht so gut«, sagt Pitbull.
»Die Schwangerschaft nimmt sie arg mit. Sie hat schon seit einigen Wochen Wasser in den Beinen, und ihr ist morgens immer total übel. Hat Marius mir jedenfalls erzählt.«
Das Nächste, was ich höre, ist ein Sausen im Ohr, das immer stärker wird. Uschi ist schwanger. Uschi ist schwanger. Marius und Uschi werden Eltern! Und ich Plantschkuh stehe hier vor der Kirche und fühle mich wie eine Fehlpressung. Das kann doch alles nicht wirklich wahr sein!
»Uschi ist schwanger«, flüstere ich, während mein Magen sich so verdreht wie damals der Zauberwürfel, mit dem einzigen Unterschied, dass ich die einzelnen Teile nie wieder in die richtige Ausgangsposition zurückdrehen kann.
»Wusstest du das denn nicht?«, fragt Pitbull. »O mein Gott, Caro, das wollte ich nicht, ich dachte, du wüsstest das!«
Ich kann ihn kaum verstehen, weil das Sausen immer stärker wird. Ich verstehe quasi gar nichts mehr. Dieses Sausen sprengt mir fast den Gehörgang. Ich werde mit Sicherheit gerade eben verrückt.
»Schatz, Achtung, Schatz, Achtung, da links und da rechts«, plötzlich stehen Gero, Tom, Richard, Mausi, Arabrab und Roland vor mir. Gute Güte, was wollen sie denn? Sehen die denn nicht, dass das Sausen in meinen Gehörgängen mich schier wahnsinnig macht?
»Nicht bewegen, Schatz!« Das ist Pitbull. Er hat offenbar als Einziger verstanden, wie es mir geht, und gibt mir einen Überlebenstipp. Nicht bewegen, stehen bleiben, stehen bleiben. Ja, ich
bleibe stehen. Schließlich will ich nicht sterben, bloß weil Uschi schwanger ist. Aber das Sausen hört und hört nicht auf.
»Sie greifen an! Sie greifen an!«, brüllt Gero. Wer greift an? Ich schaue mich um. Sind wir in den schottischen Highlands? Dann erwache ich schlagartig aus meiner Trance. Ich schaue nämlich nach rechts und links und sehe zentimetergroße Hornissen um mich herumschwirren. Daher also das Summen. Die Hornissen sind so nah, dass ich ihre aggressiven Flügelschläge zählen kann. Wäre ich eine Gottesanbeterin, hätten sie bestimmt Respekt vor mir, aber leider bin ich nur Carolin Schatz, und auch noch allergisch gegen Hornissenstiche. Und Wespenstiche. Normalerweise habe ich immer eine Tablette bei mir, falls mich solch ein Vieh mal aussaugen sollte, aber heute natürlich nicht. Wie immer.
»Ich bin allergisch gegen Hornissenstiche«, kreische ich verzweifelt und weiß nicht, was ich tun soll.
Mausi glotzt mich dümmlich an und sagt: »O Mann, Caro, äääächt, soll ich RTL exkursiv anrufen? Die zahlen total enorm megamäßig gut für so ’ne
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