Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
Vom Netzwerk:
ein zweitesmal um den Hof führte.
    Und die Menge jubelte, trampelte, pfiff, schwenkte Hüte und Mützen und drohte Dächer, Mauern und Holzgerüste zum Einsturz zu bringen.
    Montfallcon wandte sich ab und ging langsam unter den Arkaden die Galerie entlang, um nach einem letzten Blick hinab in den Hof eine Tür zu öffnen und im Inneren zu verschwinden. Kurze Zeit später stand er allein in der Stille und Dunkelheit von König Herns Thronsaal und lauschte dem dumpfen Pochen des eigenen Herzschlags, dem Schnaufen des eigenen Atems.
    »Ach, welch ein Zerstörer kann das Romantische sein.« Es war, als vertraute er seine Gedanken Herns Geist an, denn sein Ton war beinahe freundlich. Montfallcon war es gewesen, der den König schließlich getötet hatte, der ihn mit seinem Gewisper in die tiefste Umnachtung gelockt, ihn ermutigt hatte, sich die Schlinge um den Hals zu legen und von der Brustwehr zu springen und mit glasigen, herausquellenden Augen an der Mauer zu hängen und in denselben Hof hinabzustarren, wo Quire in diesem Augenblick alle Regeln der Konvention verhöhnte und das großartige sommerliche Schauspiel seinem fröhlichen Höhepunkt entgegenführte.

    DAS VIERUNDZWANZIGSTE KAPITEL

    In welchem Lord Montfallcon auf Mittel und Wege z ur Wiederherstel
lung seiner Ordnung sinnt

    »Ein Herzogtum für einen Perrott, dann einen Perrott für die Königin.« Lord Montfallcon schürzte in nachdenklicher Befriedigung die Lippen, als er sah, wie einfach alles gerettet werden konnte. »Freilich wird sie von gewissen Belastungen befreit werden müssen. Das Serail, die Kinder …« Nach zwei Tagen, die er mit kühlenden Kompressen auf der Stirn und unablässig Pläne schmiedend im Bett verbracht hatte, fand er in den alten Thronsaal zurück. »Was Quire angeht, so kann ich nicht tun, was getan werden muß. Es muß Ingleboroughs Aufgabe sein, zu ihr zu sprechen, ihr das Nötige zu sagen, sie zu warnen …« Er rieb sich die juckende Nase und blinzelte im trüben Licht umher.
    Im Korridor näherten sich abwechselnd mit dumpfem und
hellem Geräusch auftretende Schritte, und Tom Ffynne kam
herein. »Warum hier, Perian?«
»Ich habe das Gefühl, daß es sicherer ist.«
»Sicherer als Euer eigenes Arbeitszimmer?«
»Mir ist so, ja.«
    Ffynne zuckte die Achseln. »Dies ruft einem unerwünschte Erinnerungen ins Gedächtnis zurück.«
    Neuerliches Fußgetrappel war zu vernehmen, und acht La
    kaien trugen Lord Ingleborough auf seinem Sessel herein. Das schmerzensbleiche, knollige Gesicht des alten Admirals schwankte über den Köpfen der Träger. Patch, in Blau und Silber, lief neben der improvisierten Sänfte her.
    Montfallcon zeigte auf eine Stelle im Kreis des einfallenden Tageslichts; die Sänfte wurde abgesetzt, die Lakaien zogen sich zurück. Die drei Männer saßen im staubgefilterten Sonnenschein – Montfallcon mit gerafftem Umhang auf der untersten Stufe des Thrones, Tom Ffynne, das Bein ausgestreckt, auf dem steinernen Block, Ingleborough in seinem Sessel. Patch, durch angeborenes Feingefühl und Erziehung taktvoll, wanderte an den Wänden des Thronsaales entlang und betrachtete die im Halbdunkel dämmernden anthropomorphen Statuen unter den lastenden Gewölben.
    »Also teilt dieser bäuerliche Ritter, dieser Sohn des Tartaros, bereits das Bett der Königin!« sagte Tom Ffynne bewundernd. »Das kann nicht sein, was Euch so sehr beunruhigt, Perian, nicht wahr? Er ist nicht der erste Gemeine, der …«
    »Er könnte jedoch der erste Mörder sein.« Montfallcon schauderte.
    »Ihr verdächtigt ihn?« fragte Ingleborough mit heiser flüsternder Stimme. »Wessen?«
    »Ich kenne ihn. Ich weiß, was er ist. Ich kenne Quire.«
    »Solange er der Königin zusagt«, fuhr Tom Ffynne fort, beunruhigt über die uncharakteristische Leidenschaftlichkeit in Montfallcons Tonfall, »ist es doch nicht wichtig, ob er von niedriger Geburt ist, nicht wahr?«
    »Er sagt ihr zu. O ja, die Götter wissen es. Täuschung und Schmeichelei sind sein Handwerk.« Montfallcon hatte einiges von dem gehört, was Quire der Königin in jener Nacht zugeflüstert hatte; er hatte ihre Antworten gehört und war hilflos gewesen, als Quire sie bezaubert und aufgemuntert und gleichzeitig Vater, Bruder und Ehemann gespielt hatte; skrupellos ihre Müdigkeit, ihr Gefühl von Einsamkeit und ihr Selbstmitleid ausnutzend, um ihre Liebe zu gewinnen. Quire war so sanft und zart gewesen. Seine Liebkosungen (Montfallcon hatte das aus Glorianas eigenem Munde vernommen) waren

Weitere Kostenlose Bücher