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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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erscheinen, Daß ihre Feinde in Bestürzung sie gewahren, Die Guten aber in der Tugend sich vereinen. Weh über euch, der Bösewichter Scharen, Urgandas Zorn füllt eure Herzen nun mit Zagen, Der Bosheit Schande müssen die Verstockten tragen!«

    Meister Florestan Wallis’ Blick hing an dem Faun, der ihn zu faszinieren schien, so daß eine Pause eintrat, ehe er sich auf seine nächste Wortverrenkung besann:

    »Wie aber treffen wir aus unsrer Mitte rechte Wahl, Und finden einen Helden, der zu aller Lobe Mit fester Hand im Zaume hält der Ritter Zahl, Wenn nicht durch unsre Waffen und des Mutes Probe?«

    Wheldrake stützte sich seufzend auf das Brückengeländer und blickte zu dem Pavillon hin, aus dem sehr bald Lord Bramandil Rhoone in seiner Rolle als Champion geritten kommen mußte.

    Die Königin sprach (Wallis’ Verse, um der Diplomatie willen):

    »Ihr Paladine von Geblüt, ich will Euch einen nennen, Der mein erwählter Ritter ist und hat nicht seinesgleichen. Doch in den hohen Schlössern möcht niemand diesen Helden kennen,
    Ob Adel seine Seel’ gleich ziert und von den Lastern trägt kein Zeichen.
    Statt Schwert und Schild hat er den Schäferstock nur wollen, Sein Dach der Himmel ist, sein Buch das lodernd’ Feuer. Den Namen führt der Herold nicht in den gesiegelt’ Rollen, Ist nur geritzt in eines Schafstalls Lehmgemäuer.

    Die magre Trift war dieses tapfren Ritters Feld, Doch sag ich Euch, Ihr Herren, er ist nicht unbekannt, Der frei von Sünde und der edlen Einfalt Held. So beugt das Knie vor Palmerin, dem Edelsten im Land!«

    Die Ritter beugten bereits die Knie, aber Wheldrake, der zu Lord Rhoones Pavillon blickte, sah zu seiner nicht geringen Verwunderung eine kleine, unberittene Gestalt herauskommen. Sie war in verblichenes Schwarz gehüllt und trug einen breitkrempigen schwarzen Hut, in dessen abgenutztem Band ein paar schwarze Krähenfedern staken. Schwarze Ringellocken fielen auf die Schultern, schwarze Brauen überschatteten glänzende Augen. Die Züge waren bleich, die Nase lang, die Wangen hohl, die Lippen dünn und beweglich; ein geflickter, fadenscheiniger Umhang war mit einer silbernen Spange um den Hals befestigt. In schwarzen Stulpenstiefeln aus rissigem Leder bauschte sich eine weite Landsknechtshose. Die Hände unter dem Umhang verborgen, mit gesenktem Kopf, ging diese Gestalt geradewegs auf die Königin zu (während Wheldrake starrte, weil er sie von irgendwo zu kennen vermeinte, aber nicht mehr wußte, wo er sie gesehen), durchschritt die Reihen der knieenden Ritter und ließ es geschehen, daß die Mädchen und der Faun hinzusprangen und sie mit Blumengirlanden bekränzten. So präsentierte die Gestalt sich als Palmerin, der bäuerliche Ritter, und bedachte die versammelte Hofgesellschaft zu beiden Seiten und auf den Galerien unter den Arkadenbögen mit einem langen Blick, der Freunde und Feinde heraussuchte, ehe er die Karosse erreichte, einen Kratzfuß machte und sich mit einer Verbeugung den Hut vom Kopf riß. »Meine Königin.«
    Hinter seinem Schleier zeigte Glorianas Antlitz unverhohlene Verblüffung, die sie jedoch rasch verbarg, weil der Fremde Lord Rhoones Worte sprach – die Worte, welche die Gräfin von Scaith gesprochen haben würde, wäre sie hier – , und Gloriana vermutete, daß Rhoone unpäßlich sei und einen Diener als Ersatz geschickt habe. Sie weigerte sich, den verrückt ihr Hirn durchzuckenden Gedanken weiterzuverfolgen – daß ein weiterer Champion eine Beute des Todes geworden sei, bevor er in seiner Rolle auftreten konnte.

    »O Majestät, bin ich auch nur von niedrem Rang und
nicht viel wert, Hab treu gedient ich doch dem Land und Eu
ren
Namen stets geehrt.«

    Die dunklen, kalten, ironischen Augen blickten durch ihren Schleier, als gingen sie durch Fleisch und Blut bis in ihre Seele. Sie war von dem Blick fixiert. Und es war auch Humor in seinen Augen, was sie anzog. Es war, als habe man ihr eine zweite Una geschickt.
    Und bis zum Ende des Maskenspiels vergaß Königin Gloriana unversehens alle Befürchtungen, Pflichten, Ängste, Sorgen und Kümmernisse, so fasziniert war sie von diesen wundervollen, intelligenten, lieblosen Augen.
    Unter den Höflingen, die als Ritter in der Nähe standen, durch das Auftreten des unerwarteten Ankömmlings, der seine Verse so selbstverständlich aufsagte und in seinem Auftreten so vertraut war, ein wenig aus der Fassung gebracht, gab es einige, die ihn erkannten und lächelten, wie Leute lächeln, wenn sie unter

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