Gloriana
weinen. »Oh, Quire. Wir sind beide entsühnt.«
DAS FÜNFUNDDREISSIGSTE KAPITEL
In welchem für Albion ein Neues Zeitalter beginnen soll, das wahrhaft
ein Zeitalter goldner Mäßigung und des Gleichgewichts von Empfin
dung und Verstand sein soll
Wie die Wärme des Herbstes endlich in der Kühle des Winters aufgehen muß, so soll der Mond der Romantik mit der Sonne der Vernunft vermählt und Gloriana, Königin von Albion, ihrem Prinzen Arthur von Valentia angetraut werden, was im gesamten Imperium zu vielen Festlichkeiten Anlaß geben wird, denn durch Sir Thomasin Ffynne, den Großadmiral der Königin, soll kundgetan werden, daß Kapitän Arturus Quire in Wahrheit sein Mündel war – der letzte überlebende Neffe Lord Montfallcons, dessen Familie von König Hern erschlagen wurde. Die Geschichte von Kapitän Quires Leben als Gemeiner und wie er an den Hof kam, an einem Maskenspiel teilnahm und die Aufmerksamkeit und später die Liebe der Königin gewann, soll in aller Munde sein, ebenso wie ihre Fortsetzung, die davon handelt, wie Quires Feinde eifersüchtig wurden, wie der arme Lord Montfallcon in Unkenntnis seiner wahren Herkunft gegen ihn und andere, einschließlich Sir Thomas Perrott, intrigierte und sich schließlich, als er die furchtbare Wahrheit erkannte, daß er seinen eigenen Blutsverwandten zu vernichten gesucht, selbst tötete. Es soll berichtet werden, wie Quire, fast auf sich selbst gestellt, das Reich rettete und der Königin, den rivalisierenden Parteien, Albion und der ganzen Welt Versöhnung brachte.
Die Ritterlichkeit soll abermals erblühen, doch soll sie unter Prinz Arthurs Einfluß von einer mehr praktischen Art sein, denn er wird das romantische Moment (vielleicht mit dem Gedanken, daß seine eigene Geschichte schon genug davon enthält) ein wenig verringern und den Realismus vermehren, so daß die Ehre gleichzeitig als ein merkwürdigeres und ein gewöhnlicheres Ding begriffen werden soll, als viele sie bisher angesehen.
Sie werden im November heiraten, rechtzeitig, um eine Rundreise durch das Reich anzutreten, welche die Spanne des Julfestes einschließen soll. Und während sie fort sind, sollen die Wände des großen Palastes mit allen ihren uralten und verlassenen Räumen geöffnet und Licht in jeden Winkel gebracht werden; und die Vagabunden, die noch immer dort hausen, sollen in eigens für sie eingerichteten Gasthäusern bequem untergebracht werden. Große Teile des vordem verborgenen Palastes sollen überdies den Bürgern Londons zu ihrer Erbauung geöffnet werden.
Prinz Arthur und Königin Gloriana werden ihre Rundreise mit einer Flußfahrt in der Staatsbarke beginnen, der alten Goldenen Barke, die schon von den Vorfahren der Königin benutzt wurde und die sie stromabwärts zu den Gestaden des Meeres tragen soll, wo sie bei Sir Amadis Cornfield und seinen Anverwandten, den Perrotts, deren Ländereien sich zu beiden Seiten der Themsemündung weithin erstrecken, zu Gast sein werden. Das Staatsschiff wird von beiden Seiten des Ufers von Rittern auf braunen und schwarzen Pferden eskortiert. Die Ritter sollen Harnische, Helme und Beinschienen aus Gold und Silber tragen, ihre Überröcke sollen von rostbrauner Farbe sein, und die Wimpel an ihren Lanzen sollen alle großen Adelswappen Albions tragen. Und die Königin wird über den Fluß hinausblicken, wo die dunkelgrünen und gelben Hügel sich ausbreiten, und sie wird sich zu ihrem Prinzgemahl wenden, der in schwarzen Samt gekleidet sein und eine von ihm als lästig empfundene Krone aus Gold und dunkelroten Granaten tragen wird, und sie wird ihn umarmen und zu ihm sagen: »Oh, mein Lieber! Was bist du nur für ein gesetzter kleiner König geworden!«
Und hinter ihnen wird der Palast liegen, mit seinen glänzenden Kuppeln und Dächern, die einen gleichsam überirdischen Schimmer verbreiten, als höben und senkten sie sich wie die Rümpfe und Masten sinkender Schiffe in einer sanften Dünung.
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