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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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paradoxen Umständen plötzlich einem Freund wiederbegegnen. Sir Amadis Cornfield erkannte ihn als den Herrn, der so liebenswürdig gewesen war, ihm die Gunst von Alys Finch zu sichern, dem Mädchen, das heute den Tanz der Nymphen anführte; Meister Florestan Wallis erkannte ihn als den Beschützer seiner Angebeteten, der lieblichen ›Philomena‹, die den Faun in Josias Priests Truppe spielte; auch Lord Gorius Ransley erkannte ihn als den freundlichen Mittler zwischen ihm selbst und Alys Finch, der ihm für die nächste Zukunft reichliche Tröstung versprochen hatte; Lord Rhoone, der fröhlich aus seinem Pavillonzelt spähte und ein bereitwilliger Komplize des Scherzes war, erkannte ihn als den Apotheker, der das Gegenmittel gefunden und angewendet und seiner Frau und den Kindern das Leben gerettet hatte; während Dr. John Dee, der in einer hohen Spitzkappe und wallenden blauen Gewändern herbeischritt, um seine Rolle als Merlin, Urgandas Gemahl, zu spielen, in diesem ›Sir Palmerin‹ den Wohltäter wiedererkannte, der ihm die Erfüllung seines ganzen Verlangens ermöglicht hatte.
    Auf der Galerie aber stand Lord Montfallcon, die Züge fahl und wie ausgezehrt von Zorn und Bestürzung, denn auch er erkannte seine Ohren, seinen Mund, seine Augen und sein Werkzeug und erkannte, wie gründlich und mit welch verwegener Gerissenheit er von Kapitän Quire getäuscht und manipuliert worden war, der eben in diesem Augenblick der Königin den Arm bot und Verse sprach, die weder von Wheldrake noch von Wallis waren, und sie, die willig mit ihm ging, gegen das Libretto des Maskenspiels zu der Brücke führte, die den künstlichen See zu der Insel in seiner Mitte überspannte.

    »So sollen zusammen sie kommen und wandeln Seit an Seite, Und der einfache Schäfer gibt seiner Braut das Geleite.«

    Die Menge war begeistert von der Gesinnung und dem Ausgang. Die Ehe zwischen Adel und Gemeinem war immer ein bevorzugtes Thema und verstärkte nun die Absicht des Maskenspiels, zu zeigen, daß Albion in jeder Weise eine Einheit war. Es war nicht vorgesehen, daß die Königin ihren Thron verließ, aber hier war Quire und führte sie um den Hof, seinen Hut schwenkend, während sie, durch Überraschung erheitert, zur Freude der Menge und zum Applaus ihrer Hofgesellschaft lächelnd mit dem perlenbesetzten Zauberstab winkte. Die Nymphen und der Faun tanzten weiter vor ihnen her, während die zwölf Paladine, nun wieder beritten, wie eine gepanzerte Leibgarde den Schluß des Zuges bildeten, und ein verwirrter Merlin, der sich um seinen Auftritt und die zugehörigen Couplets gebracht sah, kopfschüttelnd am Geländer der zierlichen Brücke stand, den Zug beobachtete und nicht wußte, wie es weitergehen sollte.
    Obwohl er vor Zorn bebte, mußte Montfallcon sich eingestehen, daß diese Schaustellung, so vulgär sie auch sein mochte, perfekt seinen Erfordernissen diente. Quire hatte sich immer mit seinem Verständnis des gemeinen Volkes gebrüstet, und nun bewies er es.
    Aber diese Kreatur zu sehen, dieses Symbol jeder unedlen Tat, jeder perversen Lüge und Täuschung, insgeheim von ihm gebraucht, um den Bestand des Reiches zu sichern, wie sie Arm in Arm mit dem unschuldigen Mädchen einherstolzierte, das Montfallcon durch all die Jahre vor jeder Andeutung von Infamie oder Schuld bewahrt, das er gegen Zynismus und das Verständnis geschützt hatte, daß Eisen in das Gold gemischt werden mußte, um ihm die nötige Stärke zu geben – diese abstoßende Paarung von Laster und Tugend zu sehen, trieb ihm das pochende Blut in die Schläfen und erfüllte ihn mit einem mörderischen Verlangen, hier und jetzt nach der Palastwache zu brüllen, daß sie Quire festnehme und Block und Henkerbeil herbeischaffe, den Emporkömmling an der Stelle zu köpfen, wo König Hern hatte tausend unschuldigere Köpfe an einem einzigen Tag rollen lassen, so daß der künstliche See sich vom Blut seiner Opfer dunkelrot verfärbt hatte, während Hern von diesem selben Arkadenbogen aus zugesehen hatte. Fünf nahe Angehörige von Montfallcon waren unter jenen Opfern gewe sen, und er hatte sie ohne ein Wort der Verteidigung umkommen lassen, damit Gloriana überleben und den Thron gewinnen konnte.
    Aber mit der Erinnerung an jene Toten besann Montfallcon sich auch auf seine Selbstbeherrschung. Er atmete tief und langsam, er versuchte zu lächeln. Und um ihn her applaudierten die Edlen von Albion, von Arabien, der Tatarei und der übrigen Welt, als Kapitän Quire die Königin

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