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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Kerze, um mit ihrem gelben Schein die Stufen zu erhellen.
    In den vergangenen Monaten hatte sie zuviel Blut gesehen, vor allem in jener grauenhaften Nacht im Serail. Sie erkannte das zerrissene, zerstörte Gesicht des Magiers, dessen zahnloser Mund sich lautlos öffnete und schloß und dessen Augen, vom Lichte geblendet, zugekniffen waren. Blut war in seinem Bart und auf dem zerfetzten Nachthemd, das er trug, Blut an den Händen und Beinen.
    »Dr. Dee!« Sie stieg auf das Podium und stellte den Kerzenleuchter auf eine Stufe, so daß sie die Hände für ihn frei hatte. »Was ist geschehen? Hattet Ihr einen Anfall?« Aber nun konnte sie die kleinen Wunden genauer sehen, mit denen er über und über bedeckt war. Es mußten Hunderte von Bißwunden sein, als wäre ein ganzer Stamm von Ratten über ihn hergefallen. Er mußte mit Tieren experimentiert haben, dachte sie. Die Tiere waren aus ihren Käfigen entkommen und hatten ihn in der Nacht angefallen. »Könnt Ihr stehen?«
    »Ich wollte zu Euch«, flüsterte er. »Sie ist nicht mehr in meiner Gewalt. Seit Quire fort ist … Ich fürchtete, sie würde auch Euch töten.«
    »Wer oder was hat Euch das getan? Ich muß die Bewohner
des Palastes warnen.«
»Ihr … Sie ist Euer zweites Selbst …«
    Gloriana zog ihn in die Höhe, um zu sehen, ob sie ihn tragen könne. Er war ein schwerer alter Mann. Sein Geist schien verwirrt, und er tat nichts, um ihre Anstrengungen zu unterstützen. »Mein Selbst? Es gibt nur mich, Dr. Dee. Nur ein einziges Mal. Kommt!«
    Sie zog seinen Arm über ihre Schultern und brachte es zuwege, daß er aufrecht neben ihr saß, aber mit seinem Gewicht als toter Last an ihrer Seite konnte sie nicht aufstehen. Er öffnete die Augen, und sie sah in seinem Ausdruck den Blick eines Liebhabers, der mit ihren Zügen auf das intimste vertraut war. Furcht kam über sie. »Es war Euer Selbst«, sagte er unbeirrt. »Aber sie wurde verrückt. Zuerst war sie folgsam. Quire machte sie für mich. Aus Fleisch. Sie war aus Fleisch. Er war ein Genius. Ich versuchte das gleiche Experiment – in Metall –, aber es mißlang, wie Meister Tolchardes Versuch mißlang. Dann verschwand Quire. Ich konnte ihn nicht mehr bezahlen, denke ich, mit Zaubertränken, mit Giften …« »Quire machte was? «
    »Er machte sie. Das Abbild. Ich schämte mich. Ich wollte bekennen. Aber ich war zu tief darin verstrickt. Sie tröstete mich lange Zeit so gut, Majestät. Euch konnte ich nicht haben, aber sie war Euch beinahe gleich.«
    »Beinahe?« Sie entsann sich seiner Leidenschaft. »Ach, lieber Dr. Dee, was habt Ihr getan, und wie hat Quire Euch zugrunde gerichtet?«
    »Sie war verrückt. Griff mich an. Ich betäubte sie. Die Zaubertränke, die Quire mir für sie gab, gingen zur Neige, und ich fürchtete Experimente, obwohl ich meine Zuflucht zu ihnen nehmen mußte. Sie war bereits unbeständig. Nun will sie mich ermorden. Weil ich sie gebrauche, sagt sie. Doch wurde sie ja für diesen Gebrauch gemacht. Es ist, als sei sie aufgewacht wahrhaft lebendig geworden …«
    »Wo ist sie?« fragte Gloriana, ohne seiner wirren Rede recht zu folgen.
    »Sie verfolgte mich hierher. Sie ist dort drüben.« Er machte eine Kopfbewegung. Sie hob die Kerze, beschirmte die Augen und sah einen dunklen Schatten an der Wand hinter den anthropomorphen Statuen. Dr. Dee begann zu zittern. »Kommt«, sagte sie. »Steht auf.«
    »Ich kann nicht. Es wäre besser, Ihr würdet jetzt gehen, Majestät. Ich habe mein Bekenntnis abgelegt. Denkt nicht zu schlecht von mir. Mein Verstand war gut und – wie Ihr wißt bis zuletzt stets zu Euren Diensten. Die Gifte bedaure ich. Ich ließ mich von Quire überzeugen. Hätte ich …«
    Die letzten Worte gingen in einem klirrenden Schleifen und Stampfen unter, als schleppte sich etwas Schweres und Metallisches über die Steinplatten, aber die Schattengestalt blieb, wo sie war.
    Gloriana sah nichts vom Ursprung des Lärms, bis auf einmal
    ein alter, in Eisen gehüllter Mann in den Kreis des einfallenden Mondlichtes kam, ein enormes schwarzes Schwert, einen Bihänder, über der Schulter. Gewohnheitsmäßiger Zorn glomm in seinen geröteten Augen. Das graue, bärtige Gesicht war abgemagert und hohlwangig. Es war Montfallcon, gehüllt in eine schwere, altertümliche Rüstung.
    »Er erfand für mich die vollkommenste Nachbildung«, fuhr Dr. Dee fort, der den Neuankömmling gar nicht zu bemerken schien. »Ein seelenloses Geschöpf. Ich konnte es jedoch verehren und mir gefügig machen

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