Glück auf kleinen Pfoten - Erlebnisse einer Hundefreundin
herunterfallenden Töpfen oder Kannen getroffen wird. Aufmerksam schaut er vom Flur aus zu, während ich in der Küche hantiere. Bald ist er groà genug, um die Vorderpfötchen auf die Barriere zu stellen. So hat er alles gut im Blick und akzeptiert es klaglos, dass er drauÃen bleiben muss. Immerhin kann er mich ja sehen, und dass ich ihn immer wieder lobe und ihm, ab und zu, mal ein Stückchen Fleisch oder Käse zuwerfe, versteht sich von selbst.
Die Züchterin hat uns gesagt, dass Welpen in den ersten Monaten noch keine Treppen laufen sollen. Wir sollen Wolle tragen, damit seine Wirbelsäule keinen Schaden nimmt. Aber Wolle hat schnell begriffen, wie man eine Treppe benutzt. So rennt er bald selbstständig ins obere Stockwerk und wieder hinunter. Also müssen wir uns etwas einfallen lassen: Wir bauen am äuÃeren Rand der Treppe aus Brettern eine schräge Rampe und überziehen sie mit Teppichbodenresten. Glücklicherweise gefällt ihm unsere Konstruktion, und als hätte er verstanden, dass wir sie eigens für ihn angebracht haben, benutzt er von da an ausschlieÃlich seine eigenekleine »Rennbahn«, um von oben nach unten und wieder hinauf zu gelangen.
Eines Morgens lasse ich Wolle, vom Schlafzimmer aus, auf den Balkon. So kann er sich ein bisschen die Zeit, mit dem über Nacht gefallenen Schnee vertreiben, während ich ins Bad gehe und mich anziehe. Als ich kurz darauf auf den Balkon hinaustrete, um ihn wieder hereinzurufen, ist er verschwunden. Ich traue meinen Augen nicht. Der Balkon ist mit einem Holzgeländer umzäunt. Zwischen den Brettern und dem Boden ist nur ein winziger Spalt â hat er sich etwa dort hindurchgezwängt und ist in den Garten gefallen? Ich schaue hinunter in den Schnee. Wolle ist nicht zu sehen. Sollte vielleicht ein Raubvogel â¦? Mir bleibt das Herz stehen. »Wolle, Wolle!«, rufe ich angstvoll. »Wo bist du denn, Wolle? Wolle!!!!«
»Er ist hier«, höre ich plötzlich eine Stimme aus dem Nachbargarten. Wie bitte? Er ist in den Nachbargarten gefallen? Er muss sich doch alle Beine gebrochen haben! Wie kann meine Nachbarin da so ruhig sagen: »Er ist hier«, als wäre das, das Normalste von der Welt?
Ich stürze zum Balkongeländer und schaue in den Nachbargarten hinab. Kein Wolle! »Schauen Siedoch, da oben!«, sagt meine Nachbarin und deutet in meine Richtung. Als ich ihn entdecke, stockt mir der Atem: Er turnt auÃen auf dem winzigen Fliesenstreifen zwischen Geländer und Dachrinne herum. Wie ist er nur dort hingekommen? Dann sehe ich, dass die senkrechten Holzbretter des Geländers an einer Stelle etwas auseinanderstehen. Diese kleine Lücke hat Wolle anscheinend ausgereicht, um hindurchzuschlüpfen. Sein prächtiges, dichtes Fell täuscht darüber hinweg, wie klein und schmal er in Wirklichkeit immer noch ist. Ein bisschen zittrig locke ich ihn an den schmalen Durchlass zurück. Fröhlich hüpft er zu mir auf den Balkon, und während ich meinen kleinen Schlingel in die Arme schlieÃe, ahne ich, dass das wohl nicht sein letzter Streich sein wird â¦
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Wo viel Gefühl ist, da ist auch viel Leid.
Leonardo da Vinci
Nächtlicher Weckruf
Nach einiger Zeit macht mein kleiner Spitz mir aus einem anderen Grund Sorgen. Er bekommt einen leichten Husten, der sich im Laufe der Zeit verschlimmert. Eines Tages fahre ich mit dem Kleinen zur Tierarztpraxis. Die freundliche Ãrztin möchte ganz sichergehen und verordnet ein Antibiotikum. Der Husten wird schnell besser, aber das Antibiotikum hat Auswirkungen auf das Verdauungssystem. Auf den Appetit allerdings nicht. Wolle frisst weiterhin gut. Dass etwas nicht stimmt, merke ich erst, als sein Bäuchlein dick und hart wird, und mein kleiner Hund nur noch apathisch auf dem FuÃboden liegt. Wieder gehen wir zum Tierarzt, und bei der Untersuchung stellt sich heraus, dass es allerhöchste Zeit gewesen ist â Wolle hat akute Verdauungsstörungen und eine schwere Kreislaufdepression. Er bekommt sofort eine Infusion und muss über Nacht bleiben.
Es fällt mir schwer, den Kleinen zurückzulassen, aber ein »Frauchen-und-Hund-Zimmer« gibt es hier natürlich nicht. Ja, wir werden angerufen, wenn sich sein Zustand verschlimmert, und ich darf mich jederzeit nach ihm erkundigen.
Gerhard und ich beten vor dem Schlafengehen, dass Wolle bald wieder gesund wird.
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