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Glücklich die Glücklichen

Glücklich die Glücklichen

Titel: Glücklich die Glücklichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Reza
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– Im Krankenhaus, in der Pitié-Salpêtrière. Die machen eine Koronarangiografie bei ihm, um zu sehen, ob die Bypässe verstopft sind. – Ob was ? Die machen was ? – Wir warten die Untersuchungen ab. Mach dir keine Sorgen. Und sag mal, hast du das Kleid von Franck und Söhne anprobiert, Maman ?

Robert Toscano
    Plötzlich, beim Verlassen des Leichenschauhauses in der Rue Bruant, das sie Amphitheater nennen, in dem Augenblick, als die Männer Ernests Sarg in den Kofferraum hieven, wird meine Schwiegermutter Jeannette von einem unerklärlichen Entsetzen gepackt und weigert sich, in den Leichenwagen zu steigen. Sie soll dort mit Marguerite und dem Bestatter Platz nehmen, der sich heute Zeremonienmeister nennt, und wir sollen ihnen mit Odile und meiner Mutter im VW nachfahren zum Krematorium von Père-Lachaise. Meine Schwiegermutter, ungewohnte Absätze an den Füßen, weicht bis zur Mauer zurück (und stürzt fast dabei), wie ein Tier, das zur Schlachtbank geführt werden soll. Den Rücken unter dem blendenden Licht an den Stein gepresst, vollführt sie große, hektische Fuchtelbewegungen und fordert den Mercedes-Kombi auf, ohne sie loszufahren, während Marguerite sie erschrocken aus dem Wageninnern beobachtet. – Maman, Maman, sagt Odile, wenn du nicht bei Papa einsteigen willst, tue ich es. Du kannst bei Robert und Zozo einsteigen. Sie nimmt sanft ihren Arm und führt sie zum VW , in dem meine Mutter, erschöpft von der Hitze (der Sommer ist mit einem Schlag gekommen), auf dem Beifahrersitz wartet. Der Bestatter überschlägt sich, um ihr die hintere Tür aufzuhalten, aber Jeannette stottert irgendetwas, das wohl heißen soll: Ich will vorn sitzen. Odile flüstert, Maman, ich bitte dich, das hat doch keine Bedeutung. – Ich will Ernest folgen. Da ist mein Mann drin ! – Soll ich bei dir bleiben, Maman ? Marguerite kann auch allein beim Sarg mitfahren, sagt Odile und wirft mir einen Blick zu, der heißen soll, setz deine Mutter um. Bestimmt habe ich nicht richtig reagiert, denn schon hat Odile ihren Kopf ins Auto gesteckt: Zozo, ob Sie wohl so freundlich sein könnten, sich nach hinten zu setzen, Maman jagt die Vorstellung Angst ein, in den Mercedes einzusteigen ? Meine Mutter schaut mich an, als wollte sie sagen, ich habe ja wirklich schon alles erlebt. Ohne ein Wort und in aller Ruhe schnallt sie sich ab, greift nach ihrer Handtasche und windet sich aus dem Sitz, wobei sie das Arthritisch-Unbequeme der Bewegung betont. Vielen Dank, Zozo, sagt Odile, das ist sehr großherzig. Immer noch wortlos und mit derselben Schwerfälligkeit plaziert meine Mutter, sich Luft zufächelnd, ihren Körper auf der Rückbank. Jeannette setzt sich ohne ein Dankeswort nach vorn, aus ihrem Gesicht spricht, dass sie sowieso ihren Platz auf der Welt verloren hat. Odile steigt zu ihrer Tante und dem Bestatter in den Mercedes. Ich setze mich ans Steuer, um ihnen bis zum Père-Lachaise nachzufahren. Nach einer Weile fragt Jeannette, mit dem Gesicht fast an der Windschutzscheibe, also am schwarzen Kofferraum des Mercedes, hat sich Ihr Mann kremieren lassen, Zozo ? – Kremieren, wiederholt meine Mutter, was für ein seltsames Wort ! – So heißt es aber, sagt Jeannette, verbrennen tut man Küchenabfälle. – Nie gehört, sagt meine Mutter. – Mein Vater liegt auf dem Friedhof von Bagneux, schalte ich mich ein. Jeannette scheint über diese Information nachzusinnen, dann dreht sie sich um und fragt, wollen Sie, dass man Sie daneben legt ? – Gute Frage, sagt meine Mutter. Wenn es nur von mir abhinge, nie im Leben. Ich hasse Bagneux. Da kommt kein Mensch zu Besuch. Absolut hinterwäldlerisch. Der Mercedes vor uns fährt entnervend langsam. Gehört das zum Zeremoniell ? Wir halten an einer roten Ampel. Ein vieldeutiges Schweigen ist eingekehrt. Mir ist heiß. Meine Krawatte schnürt mich ein. Ich habe einen zu warmen Anzug angezogen. Jeannette sucht irgendwas in ihrer Handtasche. Dieses halb gedämpfte Klicken und Lederreiben, das ihr Gefummel hervorruft, ertrage ich nicht. Außerdem seufzt sie dazu, und ich ertrage auch keine Leute, die seufzen. – Was suchst du, Jeannette ?, frage ich nach einer Weile. – Die Seite aus Le Monde , ich hatte noch nicht mal Zeit, sie zu lesen. Ich versenke meine rechte Hand in ihrer Tasche und ziehe den zusammengefalteten, zerknitterten Artikel heraus. – Kannst du ihn laut vorlesen ? Jeannette setzt ihre Brille auf und artikuliert mit trübsinniger Stimme: »Ernest Blot

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