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Glückliche Ehe

Glückliche Ehe

Titel: Glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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einem knappen Ton, der ihn nur beunruhigen konnte. »Ich koche Kaffee.« Sie schlüpfte aus dem Bett, schnappte sich den weggeworfenen Slip und den BH und verschwand in dem begehbaren Kleiderschrank neben dem Bad. Sie tauchte in Jeans, T-Shirt und Pulli wieder auf, nur um diesmal um die Ecke des L in Richtung Küche zu verschwinden.
    Seine Verzweiflung hielt sich in Maßen. Das würde wohl später kommen, dachte er. Er hatte sie enttäuscht, deshalb war sie so hastig aufgestanden. Es war eine traurige Tatsache, dass er mit einundzwanzig schon ans Versagen gewöhnt war. Seine Romane waren keine Bestseller – warum sollte er dann ein echter Mann sein? Er stolperte auf ihrem Parkettboden umher und sammelte seine schwarze Rüstung wieder ein, versuchte, die Beine in seine Jeans und die Arme in seinen Rollkragenpulli zu kriegen. Erstaunlicherweise dachteer nicht an Selbstmord, obwohl klar war, dass er die Frau seiner Träume kennengelernt und wieder verloren hatte. In langen Gesprächen hatte er festgestellt, dass zwischen ihnen eine tiefe Verbundenheit bestand; er hatte sie dazu gebracht, mit ihm ins Bett zu gehen, und dann hatte er das alles wieder verloren, weil er kein richtiger Mann war.
    Vernünftigerweise hätte er aus dem Fenster springen sollen. Dort drüben zum Beispiel. Anlauf nehmen, über den Glastisch in der Essecke springen, durch die Fensterfront krachen, in die eisige Luft fallen und von dem spillerigen Baum unten aufgespießt werden, so dass die armselige Weihnachtsbeleuchtung seine Eingeweide verbrutzeln würde. Wenn die New York Times Margaret dann für eine kleine Notiz über das Dahinscheiden dieses außergewöhnlich jungen Schriftstellers interviewte, würde sie sicher pietätvoll verschweigen, dass sein Schwanz nicht funktioniert hatte, und die Leser würden annehmen, er sei ein abgewiesener Verehrer gewesen, was ein wesentlich ehrenvollerer Grund zum Sterben war. Vielleicht würde die Publicity seinem demnächst erscheinenden Buch nützen. Das Veröffentlichungsdatum brauchte er ja nicht abzuwarten, weil sein verdammter Verlag ihm sowieso keine Interviews mehr verschaffte. Eine Idee für einen vierten Roman hatte er nicht und würde er wohl auch nie haben, jetzt, wo er ein impotentes, armseliges Leben führen würde. Wie war es ihm gelungen, eine Hemingway-Figur zu werden, ohne in einem Krieg gekämpft zu haben?
    »Möchtest du einen Bagel?«, fragte Margaret, die jetzt wieder aus der Küche auftauchte. Sie war sehr sachlich. Nicht kühl, aber verhalten. Natürlich, dachte er, schafft sie einen Abstand zwischen uns, damit wir beide so tun können, als ginge es nicht darum, dass ich eine Niete bin, ein Auto, dessen Motor absäuft, wenn es gerade losgehen sollte. Er bewunderte sie dafür, wie elegant und anständig sie ihnzurückwies, wie tapfer sie versuchte, sein peinliches Versagen zu übersehen.
    »Nein, danke, ich muss gehen. Duschen und mich rasieren, wegen dieser Silvesterparty.« Er beugte sich an sie heran, und diese Bewegung schien sie zu erschrecken. Vermutlich hat sie Angst, dass ich sie noch mal küsse, ihr mein falsches Versprechen von Körper wieder aufdränge. »Hör mal« – er wusste nicht, woher er diese verrückte Selbstsicherheit nahm und das Unaussprechliche aussprach –, »wegen vorhin, tut mir leid, dass ich –«
    Margaret unterbrach ihn. »Mach dir deswegen keinen Kopf. Ich mache mir auch keinen.«
    Er glaubte ihr nicht, aber ein selbstsicherer Enrique übernahm, ein Enrique, den er nicht kannte, der jedenfalls nie da war, wenn man ihn sonst brauchte, ein Enrique, der sie mit vertrauensvoller Gelassenheit umarmte, sich hinabbeugte, sie küsste, einmal, zweimal, dreimal, und dann flüsterte: »Ich will so gern mit dir schlafen. Ich war so aufgeregt. Ich glaube, ich habe Angst, weil ich dich liebe.«
    Sie wich weit genug zurück, um ihre Suchscheinwerfer einschalten zu können, die immer blauer und blauer wurden, während sie ihn musterten, als wäre er ein Rätsel, das sie lösen musste. Nach einer langen Pause flüsterte sie verschwörerisch: »Sag das nicht. Das ist es, was dich so nervös macht. Wir lernen uns ja gerade erst kennen. Bleib locker.« Sie hob ihm ihr Gesicht entgegen, küsste ihn einmal kurz und dann länger. Er wurde wieder steif. Sie schob ihn von sich. »Wir wollen dich ja nicht schon wieder auf Touren bringen«, sagte sie mit einem verschmitzten Lächeln. »Was machst du an Neujahr?«
    »Nichts«, antwortete Enrique, unendlich erleichtert, dass sie

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