Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen
in Ihrem Haus aufbewahren. Die Regale sind Ihre Vitrinen, was darin ist, sind Ihre Ausstellungsstücke, Sie sind Kurator, Museumswärter und Besucher in einem. Sie gehen täglich durch Ihre Ausstellung und leben mit dem ständigen Blick zurück. An jeder Schlaghose hängen Erinnerungen. Und Sie sagen: »Ja, ich will das alles. Ja, das ist schließlich mein Leben. Ich kann doch mein
Leben nicht wegwerfen!«
Wir halten an den Dingen fest, weil wir an unserem Leben festhalten wollen.
Wir halten an den Dingen fest, weil wir an unserem Leben festhalten wollen. Dabei ist das ein Irrtum. All die Dinge halten uns in Wahrheit fern von unserem Leben, sie machen uns schwer, sie fesseln uns an unsere Vergangenheit.
|36| Ich habe losgelassen. Ich lasse jeden Tag los. Zuerst die Dinge. Ich besitze eine Armbanduhr. Eine wirklich schöne. Außerdem ein gutes Bett. Ich habe einen Tisch und ein paar Stühle. Nein, keine Fotos, die habe ich gescannt und somit immer dabei. Ja, ich gebe es zu, ein Auto habe ich auch. Noch. Ich bin noch nicht so weit, darüber bin ich auch ein wenig unglücklich. Es ist ein schönes Auto. Das ist alles, was ich besitze. Aber ich sitze mehr in den Autos von Sixt als in dem Auto, das ich besitze. Mit meiner Sixt-Abo-Card bekomme ich ohne Vertrag an jedem Flughafen, Bahnhof und noch so manchem Ort der Welt ein Auto, wenn ich eins brauche.
Meine Kleider sind ein durchlaufender Posten. Wenn ich verreise, und das tue ich oft, verschenke ich sie. Entweder lasse ich sie im Hotel liegen, oder ich gebe sie den Homeless auf den Straßen von New York oder sonst wo. Schon vor der Abreise nach New York suche ich mir die Kleidungsstücke aus, die nicht mehr mit nach Hause kommen werden. Sei es, weil sie alt sind, mir nicht mehr gefallen, nicht mehr so passen, diese trage ich dann in meiner Zeit in New York. Ich sehe in New York oft ganz fürchterlich aus. Dann lege ich sie täglich neben die Müllsäcke auf der Straße. Sie sind schnell verschwunden. Am Abend vor der Abreise ziehe ich mich dann vor dem Mülleimer aus. Nach einer Woche New York komme ich dann mit nichts außer den Kleidern, die ich trage, und dem Reisepass und der Kreditkarte wieder zurück. Nur in Hongkong hat es nicht funktioniert. Da lagen die Hemden, die ich abends im Hotel in den Mülleimer geworfen hatte, am nächsten Tag gewaschen, gestärkt und gebügelt wieder im Schrank.
Natürlich habe ich immer ein paar gute Anzüge, das ist ja für mich ein Arbeitsmittel. Ich brauche auch Krawatten. In einem Supermarkt sah ich einmal ein innovatives, praktisches Produkt – ich bin ein Fan von innovativen, praktischen Produkten: Dies war ein extrem platzsparender Krawattenhalter. Ich hatte ihn schon in der Hand, um ihn in den Wagen zu legen, als mir ein Licht aufging. Ich habe ihn zurückgehängt, bin nach Hause gefahren und habe alle Krawatten weggeworfen, bis auf drei. Freiheit ist nicht, zu jedem Anlass den passenden Schlips von Louis Vuitton kaufen zu können. Freiheit ist, keinen kaufen zu müssen.
|37| Ich habe auch keine Bücher. Zwar liebe ich Bücher und lese gerne und viel. Habe ich ein Buch gelesen, spende ich es, verschenke es, verkaufe es im Internet oder werfe es weg. Ja, man darf Bücher wegwerfen, zumindest die eigenen. Wo sollte ich es auch hinstellen, ich habe ja kein Regal.
Ich besitze auch kein Haus. Das hat den Vorteil, dass das Haus mich nicht besitzen kann.
Ich besitze auch kein Haus. Das hat den Vorteil, dass das Haus mich nicht besitzen kann. Und es rechnet sich ja auch gar nicht. Ein Haus ist ein Loch im Boden, durch das das Geld verschwindet. Sie wissen sogar nie genau, wie groß das Loch ist, weil Sie nicht wissen, welche Reparaturkosten noch auf Sie zukommen und wie der Wert von Grundstück und Immobilie sich entwickeln wird. Fragen Sie mal einen guten Steuerberater, der wird mir vermutlich beipflichten. Ich habe lieber das Vermögen auf meinem Konto und zahle meine Miete von den Zinsen. So bleibt mir beides: das Geld und die Flexibilität. Häuser sind Freiheitsräuber. Die Gründe, die es rechtfertigen, ein Eigenheim zu besitzen, habe ich losgelassen. Je kleiner das Ego, desto leichter das Leben.
Wenn ich davon erzähle, glauben mir viele nicht, dass ich so extrem bin. Aber es ist wirklich so. Mein letzter Umzug hat 55 Minuten gedauert. Bett abbauen, Bett aufbauen, noch paar Kleinigkeiten. Das war’s.
Das Wegwerfen geht auch ganz einfach, wenn man es wirklich will. Nehmen Sie einfach alle schönen
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