Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen
hinein-, als herausfließt. So einfach. Sie hat übrigens aufgeräumt.
Also: Bedeutet das, dass chancenintelligente Menschen die Fähigkeit zum Triebverzicht haben? Ja. Bedeutet das, dass chancenintelligente Menschen Belohnungen aufschieben können, bis die Belohnung groß genug ist? Ja. So ist es. Bedeutet das, dass Impulskontrolle die Voraussetzung für Chancenintelligenz ist? Dass also chancenintelligente Menschen nicht impulsiv handeln, ihre Impulse unterdrücken und stattdessen den Kopf einschalten? – Vorsicht! Das bedeutet es ganz und gar nicht! Das ist eine falsche Fährte.
Weltvertrauen oder Selbstvertrauen?
Das Problem beim Belohnungsaufschub ist: Irgendwann muss man ja mal zuschlagen! Nur wann? Wenn Sie beispielsweise einen Job suchen, wird es Ihnen vermutlich gehen wie den meisten: Sie haben eine Stelle in Aussicht, und die hört sich ganz passabel an. Aber mehr auch nicht. Also sagen Sie ab und schauen sich die nächste Gelegenheit an: Das klingt schon besser. Aber ist das der Traumjob? Nein. Also weiter. Und so kann das ewig gehen! Wann kommt der Moment, in dem Sie zuschlagen? Welche Entscheidung ist die richtige? Irgendwann sagen Sie zu. Und war das dann zu früh? Haben Sie einen Spatz in der Hand genommen? Woher bekommen Sie Gewissheit?
|215| Oder Sie schauen sich die Ehepaare in Ihrem Bekanntenkreis an. Den wievielten Mann hat Ihre Freundin genommen? Den erstbesten? Den fünftbesten? Oder den ultimativ besten, den es im Universum gibt? Woher könnte sie es wissen? Welche Form von Intelligenz könnte man hier als Chancenintelligenz bezeichnen? Die Marshmallows helfen da nicht weiter, denn es könnte auch recht unintelligent sein, auf den Traummann zu warten, bis man selber keine Traumfrau mehr ist.
Das Problem: Man weiß nie, wann es das beste Angebot war. Das ist so ähnlich wie mit dem Gottesfürchtigen, der in eine Überschwemmung geriet. Als seine Nachbarn mit einem Ruderboot in die Nähe seines Hauses kamen, auf dessen Dach er ausharrte, und ihm zuriefen, er solle zu ihnen schwimmen, sie hätten noch Platz, rief er: »Fahrt weiter! Gott wird mich retten!« Als dann die Feuerwehr mit einem Schlauchboot auf ihn zusteuerte, winkte er ab und rief: »Nein, danke. Gott wird mir ein Wunder schicken!« Als er irgendwann bis zum Bauch im Wasser stand, hörte er das Peitschen von Rotorblättern schnell näher kommen. Schon stand der Armeehubschrauber über ihm in der Luft. Eine Strickleiter stürzte herab, aus dem Bauch des Hubschraubers streckten sich ihm Hände entgegen. Seine nassen Haare flogen wild durcheinander und das Wasser um ihn herum schäumte. Er hielt beide Hände an den Mund und brüllte nach oben: »Fliegt weiter! Ich glaube an Gott! Er kommt, um mich zu retten!« Nachdem er dann ertrunken war und ziemlich geknickt vor der Himmelspforte stand und sich beschwerte, ob sein Gottvertrauen nicht vielleicht doch ein kleines Wunder gerechtfertigt hätte, antwortete Petrus lächelnd: »Na ja, wir haben dir einen Nachbarn geschickt, dann die Feuerwehr und dann die Armee. Ganz offensichtlich haben wir es dir nicht recht machen können. Ich hoffe, wir können dich wenigstens hier oben zufrieden stellen. Willkommen im Himmel.«
Glückskinder zeichnen sich dadurch aus, dass sie es schaffen, immer wieder die »richtigen« Entscheidungen zu treffen. Und dabei sagen sie nicht: »Ach, das passt schon, machen wir, nehmen wir halt mit.« Sie sagen im Schuhgeschäft nicht: »Ach, dann nehme ich eben die Schuhe, die mir hier noch am besten gefallen.« Aber sie laufen |216| auch nicht barfuß durch die Gegend. Wie also entscheiden sich Glückskinder? Denken sie einfach besser nach?
Nachdenken kommt zu spät, nämlich dann, wenn wir unsere Entscheidung schon gefällt haben.
Nein, nachdenken hilft nicht. Denn Nachdenken heißt nicht umsonst Nach-Denken und nicht Vor-Denken. Nachdenken kommt zu spät, nämlich dann, wenn wir unsere Entscheidung schon gefällt haben. Wenn ich vor einer Entscheidung stehe und mir die Entscheidungsparameter auf ein Blatt notiere, links die Nachteile, rechts die Vorteile, und anfange zu analysieren, dann bin ich bereits auf dem Holzweg. Denn was ich da analysiere, ist nicht die Welt. Es ist nur meine limitierte Meinung von der Welt. Nicht das, was passiert, sondern das, was wir davon denken, nehmen wir für real. Die Vor- und Nachteile bei einer Entscheidung sind in Wahrheit meine Vorurteile und meine Nachurteile, jedenfalls kann ich so nichts anderes schaffen, als meine
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