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Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Titel: Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherer
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kannst du es auch bauen.« So endet dieser international preisgekrönte Werbefilm für Hornbach, eine große deutsche Baumarktkette. In diesem Film ist ein Mann in seinem Luftschloss unterwegs. Wir können es noch nicht sehen. Er schon. Und er wird ans Werk gehen, um sein Bild Wirklichkeit werden zu lassen.
    Wäre es nicht schön, wir hätten solch ein Luftschloss für unser Leben? An dem könnten wir bauen, das könnten wir uns ausmalen und immer konkreter vor unseren Augen erstehen lassen. In der Wirklichkeit, jenseits der Werbung, bauen wir solche Luftschlösser leider nur noch selten. Die Werbung spricht eher das Kind in uns an, denn als Kind haben wir noch so gedacht. Eine solche Vorstellungskraft haben nur Kinder und Geisteskranke.
    Ganz besonders ausgeprägt ist diese Fähigkeit bei den Savants. Das Savant-Syndrom, auch Inselbegabung genannt, bezeichnet die spektakuläre Fähigkeit einiger weniger Menschen, die zwar geistig behindert sind, aber auf einem ganz speziellen Gebiet unfassbare Leistungen vollbringen. Etwa die Hälfte der bekannten Inselbegabten sind Autisten. Im Film
Rain Man
stellte Dustin Hoffman einen solchen inselbegabten Autisten dar und erhielt für seine sensible, verblüffende Leistung den Oscar als bester Hauptdarsteller.
    |208| Ein solcher Savant jenseits von Hollywood ist Gilles Trehin. Im französischen Cagnes-sur-mer sprach der kleine Gilles mit drei Jahren sein erstes Wort: »Flugzeug«. Mit fünf entdeckte er die Primzahlen und das dreidimensionale Zeichnen. Mit sechs Jahren wurde bei ihm ein absolutes Gehör festgestellt. Wenn er Händels Wassermusik hört, kann er sofort die Partitur niederschreiben. Musik ist Mathematik für ihn. Und er kann, ohne nachzudenken, die kompliziertesten Rechenaufgaben lösen. Mit acht Jahren bekam er die Diagnose Autismus mit Savant-Syndrom.
    Gilles Trehin ist heute ein weltbekannter Künstler. Seit über 25 Jahren arbeitet er an dem gleichen Projekt: »Urville« – die Stadt in seinem Kopf. Urville ist eine fiktive Stadt, die Gilles auf Papier baut. Er zeichnet sie. Zurzeit hat sie 20 Millionen Einwohner und ist Europas größte Stadt. Feuerwehr, Kraftwerke, Stromnetz, Krankenhäuser, Wohnviertel, alles durchdacht. Bis ins letzte Detail. Urville wächst und wandelt sich so regelmäßig und natürlich wie New York, Rio oder Tokio. Gilles hat Urville mittlerweile in allen Größen und aus jeder Perspektive gezeichnet, alle Stadtteile separat dargestellt und einen vollständigen Stadtplan erschaffen. Er hat außerdem Geschichte studiert, um seiner fiktiven Stadt eine detaillierte, fast 1   000-jährige Stadtgeschichte zu verschaffen.
    Nein, Chancenintelligenz bedeutet nicht, Städte im Kopf zu bauen oder die erträumte Zukunft über Jahrzehnte hinweg bis ins Detail auszumalen – im wahrsten Sinne des Wortes. Aber ein wenig Orientierung hilft durchaus. Orientierungsstarke Menschen können sich schon ein klares Bild der Struktur einer Stadt machen, wenn sie mit dem Flugzeug landen und vorher ein wenig vom Fensterplatz aus nach unten schauen. Unten finden sie sich dann wesentlich besser zurecht. Wenn Sie das Straßensystem von New York nicht kapieren, gehen Sie einfach mal aufs Empire State Building und schauen Sie runter. Spätestens dann sollte Ihnen ein Licht aufgehen. Wenn Sie es dann immer noch nicht verstanden haben, wird’s komisch. Denn New York ist ja nicht komplex. Das Leben ist viel komplexer.
    Draufblick schafft Durchblick.
    Wir sollten im Leben öfter auf unser inneres Empire State Building steigen, um von oben auf die Brocken zu sehen, die da vor uns |209| liegen – Draufblick schafft Durchblick. Dann sehen wir nicht nur die Probleme, sondern auch die Lösungen. Wir sehen sozusagen die heilenden Bilder. Und die nehmen wir mit, wenn wir wieder von unserem inneren Empire State Building heruntersteigen und uns ins Gewimmel unserer Projekte und Dringlichkeiten stürzen. Die heilenden Bilder bewahren wir in unseren Herzen, und sie helfen uns bei der selektiven Wahrnehmung. Wir sehen dann nicht das ganze Chaos um uns herum, sondern wir sehen, weil wir einen inneren Stadtplan von unserem New York bei uns haben, in all dem Chaos genau unsere Chancen, unsere Wall Street, unseren Broadway, unseren Central Park, unsere Freiheitsstatue. Wir wissen ganz genau, was zu tun ist. Diese selektive Wahrnehmung unserer Welt ist – nichts anderes als der Chancenblick.
    Und der lässt sich trainieren. Es gibt Menschen, denen wird nachgesagt, dass sie in einem

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