Glücksklee
sie, wie etwas Feuchtes aus ihr hinausglitt.
«Jess, du musst in der Klinik anrufen, damit sie dir einen Krankenwagen schicken. Aber kannst du mir vorher die Nummer von Brian geben?»
«Nein, ich will Brian da nicht mit reinziehen. Er will nichts damit zu tun haben und –»
«Jess, er ist dein Mann, und du brauchst Hilfe. Ich bin leider zu weit weg, ich kann nichts für dich tun. Also gib mir seine Nummer.» Ninas ruhige, beherrschte Stimme überzeugte Jess, dass es wirklich keine andere Möglichkeit gab.
Jess rasselte Brians Handynummer herunter. Sie hatte Angst sich zu rühren, befürchtete, dass die kleinste Bewegung alles noch schlimmer machen würde.
«Gut, und jetzt leg auf und rufe die Klinik an. Und, Jess, noch mal: Versuche, ruhig zu bleiben. Kann sein, dass gar nichts weiter ist, aber du musst dich untersuchen lassen, klar?»
«Klar.» Jess nickte, wieder mit verzerrtem Gesicht, und legte auf. Dann rief sie in der Klinik an und versuchte gleichzeitig, gegen ihre wachsende Angst anzukämpfen.
Der Krankenwagen schien ewig zu brauchen, und Jess wurde immer nervöser. Sie konnte nicht mehr. Wie man ihr am Telefon geraten hatte, lag sie jetzt seit einer Viertelstunde mit hochgelegten Beinen unten im Badezimmer auf dem Fußboden. Die Haustür war nur angelehnt, damit die Sanitäter hereinkonnten. Inzwischen war sie kurzatmig und schweißnass, das blonde Haar klebte ihr im Gesicht, und bei jedem neuen Krampf hatte sie das Gefühl, ihr Körper würde auseinandergerissen. Endlich hörte sie eine Bewegung an der Haustür. Gott sei Dank.
«Hier im Bad!», rief Jess, als sie eilige Schritte im Flur vernahm. Doch in der Tür erschienen nicht die Sanitäter, sondern Brian. Er sah zu Tode erschrocken aus.
«Ach Jess, mein Kleines, was ist denn passiert?» Brian riss sich den Mantel herunter, warf ihn auf die Fliesen und kniete sich neben sie.
Jess brach in Tränen aus, vor Erleichterung, dass sie nicht mehr allein war, vor allem aber, weil Brian es war, der ihr zu Hilfe kam. «Ich … ich weiß nicht. Ich hatte Krämpfe, und dann habe ich angefangen zu bluten, und das ganze Blut …»
«Pst, pst, ich bringe dich in die Klinik.» Mit zitternden Händen griff er nach einem Handtuch und hielt es unter den Wasserhahn. Dann wischte er ihr behutsam das Blut von den Beinen. «Aber was ist denn los? Hast du Schmerzen?»
Jess achtete nicht mehr auf die Schmerzen. Brians Anwesenheit blendete alles andere aus. «Hat Nina dich angerufen?»
«Ja, Liebes.»
«Und du bist hergekommen», sagte Jess mit tränenerstickter Stimme.
«Natürlich. Das ist doch selbstverständlich.»
«Aber nach allem …» Der Gedanke, dass Brian vielleicht nur aus Pflichtgefühl gekommen war und gleich wieder verschwinden würde, wenn er alles geregelt hatte, war ihr unerträglich.
«Lass uns jetzt nicht darüber reden, okay?» Seine Stimme versagte, und Jess bemerkte, dass auch er Tränen in den Augen hatte.
Dann hörten sie beide Geräusche im Flur. Es klopfte an der Tür, und Brian stand schnell auf. «Das ist bestimmt der Krankenwagen.»
Jess konnte sich nicht erinnern, wann sie ihren Mann zum letzten Mal hatte weinen sehen – hatte er überhaupt jemals in ihrem Beisein geweint? Wieder meldeten sich ihre Ängste. «Ach, Brian, das ist alles meine Schuld! Ich hätte niemals –»
«Komm, Kleines, alles wird gut. Wir bringen dich jetzt in die Klinik. Doch, alles wird gut. Mit uns. Und mit dem Baby auch.»
«Aber du willst doch gar kein –»
«Doch, natürlich. Ich verspreche es dir», murmelte er mit erstickter Stimme. «Alles wird gut.»
Eine Stunde später verließ der Arzt das Krankenzimmer. Jess schluchzte in ihr Kissen. Brian hockte neben ihr auf dem Bettrand und hielt sie in den Armen, etwas ungeschickt, denn er war bemüht, die Infusionsschläuche nicht zu berühren.
Jess hatte viel Blut verloren.
«Ich kann’s gar nicht glauben», weinte sie. Sie wandte sich ihrem Mann zu, und tiefe Erleichterung durchströmte sie. «Ich kann noch gar nicht glauben, dass alles in Ordnung ist.»
«Das hab ich dir doch gesagt», erwiderte Brian mit schiefem Grinsen, aber er war noch ganz blass, und Jess konnte seinen Gesichtsausdruck nicht richtig deuten.
Vielleicht war er einfach durcheinander, doch für sie selbst hatte dieser furchtbare Schreck ein Gutes gehabt: Sie wusste jetzt mit Sicherheit, dass sie dieses Baby haben wollte, sie wünschte es sich von ganzem Herzen.
Und wenn das bedeutete, dass sie Brian nicht haben
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