Glücksklee
sprechen, ihm die Hintergründe für ihr Verhalten zu erklären, doch er hatte nicht zugehört. Und mit wem sollte sie sonst darüber reden? Sie konnte doch wohl kaum Deirdre oder Emer deswegen anrufen. Ganz abgesehen davon, dass Emer ihre eigenen Sorgen hatte, müsste sie dann erklären, dass Brian von ihrem Entschluss, ein Kind zu bekommen, null Ahnung gehabt hatte. Dadurch würde sie auch nicht gerade besser dastehen. Neulich war sie in Versuchung gewesen, es mit Nina zu besprechen …
Nina! Plötzlich wurde Jess munter. Nina konnte sie sich anvertrauen, oder? Sie hatte ihr doch schon so viel erzählt, vor allem bei ihrem Lunch neulich in Dublin.
Jess griff zum Telefon und wählte Ninas Handynummer.
Nina nahm ab. «Hallo, Jess», sagte sie, aber Jess merkte gleich, dass sie nicht ganz bei der Sache war.
«Hallo. Passt es dir gerade nicht?»
«Doch, doch. Ich bin mit Trish und Ruth in der Bibliothek. Eigentlich wollte ich dich schon längst angerufen haben, um mich wegen neulich zu bedanken. Für deine guten Ratschläge und alles.»
«Ach ja, meine guten Ratschläge …» Jess spürte, wie ihre Stimme bebte.
«Fehlt dir was?», fragte Nina. «Du klingst ein bisschen … betrübt.»
Ninas einfühlsame Frage raubte Jess völlig die Fassung, und unvermittelt brach sie in Tränen aus. «Entschuldige bitte», schluchzte sie, und dann erzählte sie Nina in knappen Worten, was geschehen war. «Ich sollte dich nicht mit dem ganzen Kram anöden, aber ich habe sonst niemanden, mit dem ich darüber sprechen kann.»
«Ach, du Arme – aber das ist doch Blödsinn, natürlich musst du mit jemandem darüber reden.» Nina senkte die Stimme. «Warte mal eben. Ich gehe in den anderen Raum rüber.» Nach einigen Augenblicken, die Jess nutzte, um sich zu beruhigen, war Nina wieder dran. «Bist du sicher, dass es nicht einfach ein Streit war?», fragte sie sanft. «Kann doch sein, dass Brians Ärger bald verraucht ist, und dann ist im Handumdrehen alles wieder in Ordnung.»
«Das glaube ich nicht, Nina. Diesmal hab ich wirklich Mist gebaut. Brian hat immer nur wiederholt, wie hinterhältig ich wäre und dass ich mir selbst was vormache. Du hättest seinen Blick sehen sollen.» Diese Erinnerung war so schmerzhaft, dass Jess sie kaum aushalten konnte, und merkwürdigerweise spürte sie den Schmerz tatsächlich körperlich – wie ein scharfes Stechen im Bauch. Sie musste sich aufs Bett setzen, und da durchzuckte es sie erneut, sodass sie sich unwillkürlich zusammenkrümmte. Sie stöhnte.
«Jess?» Ninas Besorgnis war unüberhörbar. «Was ist los? Fehlt dir was?»
«Nichts», antwortete Jess atemlos, obwohl das nicht stimmte. Als ein weiterer Krampf sie überfiel, wurde ihr klar, dass es sich dabei nicht um einen körperlichen Ausdruck ihrer Traurigkeit handelte, sondern um akute, echte physische Schmerzen. «O Gott», stieß sie hervor und biss die Zähne zusammen.
«Jess, jetzt machst du mir wirklich Angst. Was ist denn los?», fragte Nina eindringlich.
«Ich weiß nicht. Ich kriege gerade ganz schlimme Bauchschmerzen», brachte sie keuchend heraus.
«Was … jetzt gerade? Atme tief durch, Nina. Ich will dir keine Angst machen, aber du bist schwanger – du solltest einen Arzt anrufen, finde ich.»
Wieder überfiel Jess Panik. Diese Woche entpuppte sich allmählich als die schlimmste ihres Lebens. «Aua … oh», jammerte sie, als eine neue Schmerzwelle sie erfasste. Sie ließ das Telefon auf den Boden fallen.
«Jess? Jess!», hörte sie Nina rufen, aber ihr blieb nichts anderes übrig als zu warten, bis der Schmerz wieder nachließ. Erst dann konnte sie sich bücken und das Telefon wieder aufheben.
«Ich bin noch dran», sagte Jess und versuchte aufzustehen. Sie lehnte sich gegen ihre Frisierkommode. Der kalte Schweiß war ihr ausgebrochen. «Alles in Ordnung.»
«Das klang aber eben gar nicht so.»
Jess schüttelte den Kopf. Gerade wollte sie Nina erklären, dass ihr wirklich nichts fehlte, da fiel ihr Blick auf das Bett, auf die Stelle, wo sie gesessen hatte. «O nein», sagte sie leise. Sie hatte rasendes Herzklopfen.
«Sag mir, was ist los.»
«Ich blute», berichtete sie Nina atemlos, bevor sie ins Badezimmer taumelte. Sie betrachtete ihre Hosen: voller Blut. «Nina, ich blute stark. Was soll ich machen? Was soll ich bloß machen?»
«Ach Gott … gut, Jess, bleib ganz ruhig.»
Jess versuchte, ihrer Panik Herr zu werden, krümmte sich aber wieder, als ein neuer Krampf sie überfiel. Diesmal spürte
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