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Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Titel: Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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auf halber Strecke vom Rad
gefallen wäre, hätte sie es vermutlich nicht einmal gemerkt. War ja nur ihr Begleiter,
der da im Schneeregen von Ziegelhausen sein Leben aushauchte.
    »Kalt?«,
keuchte ich. »Mir ist so warm, ich könnte ein komplettes Einfamilienhaus heizen.«
    »Gut, dann
hängen wir noch einen Schlenker dran. Komm, leg einen Zahn zu!«
    Sie beschleunigte.
Es schüttete, es war bitterkalt, der Odenwald zeigte sich von seiner allermiesesten
Seite, aber Katinka Glück hängte freiwillig noch einen Schlenker dran. Vor dem Regen
war keine Rede von Schlenkern gewesen. Vielleicht kam sie nur bei Sauwetter auf
solche Gedanken.
    Masochismus?
    Oder doch
Sadismus, ausgelöst durch einen unerwünschten Beschützer, der auf zwei Rädern gerade
mal so schnell war wie sie auf zwei Beinen?
    Ich beschloss,
die Frage zurückzustellen: bis ich Katinka etwas besser kannte. Vorerst war ich
heilfroh, mir nach zwei Stunden Training und einer entsetzlichen Talfahrt durch
Ziegelhausen bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt keine Lungenentzündung
geholt zu haben. Genau genommen empfand ich es als Wunder. Ein Wunder, das nur durch
ein anderes, noch größeres in den Schatten hätte gestellt werden können: wenn Katinka
mich zum Abschied auf einen Tee mit Schnaps hereingebeten hätte.
    Aber das
tat sie nicht. Und der Schnaps war dabei das kleinste Hindernis, nehme ich an.
     
     
     
     

4
     
    Eine Woche und zwei Trainingseinheiten
später schüttelte mir der Oberbürgermeister höchstpersönlich die Pranke. Er galt
als ambitionierter Hobbyläufer, der beim Heidelberger Halbmarathon den Startschuss
abfeuerte, bevor er sich, volksnah und imagebewusst, unter das losstürmende Feld
mischte. Wäre ein gewisser Max Koller jemals vor ihm ins Ziel gekommen, hätte er
mit meinem Namen womöglich etwas anfangen können. So aber stand er ratlos grinsend
vor mir, bis ihn Harboth, der Metropolfritze von der Säbelzahntigerfraktion, raunend
mit den nötigen Informationen versorgte. Der OB war sofort im Bilde; natürlich hatte
er von Katinkas Problemen gehört, und natürlich hängte er sie nicht an die große
Glocke.
    »Sie unterstützen
also unsere Marathonhoffnung beim Training«, rief er, während er meine Finger durchwalkte.
»Läuft sie Ihnen denn nicht davon?«
    »Mir laufen
alle Frauen davon«, antwortete ich, ohne zu überlegen. Irgendwie schien das die
richtige Antwort zu sein, denn ringsum wurde schallend gelacht. Ringsum standen
allerdings ausschließlich Männer. Katinka, die einzige Ausnahme, verzog keine Miene.
    Trainingspartner
also. Gut, sollten die anderen denken, was sie wollten. Der OB wandte sich meinem
Nachbarn zu, einem blinden Kurzstreckler, der mitsamt seinem Begleitläufer zu dem
Empfang gekommen war. Andere hatten ihre Trainer mitgebracht, einer seine Oma. Es
gab Schwimmer, Judoka, Gewichtheber. Weltklasse, made in Kurpfalz. Dann hielt das
Stadtoberhaupt eine kurze Ansprache, in der es darlegte, dass Badener und Württemberger
bei den letzten Olympischen Spielen mehr Medaillen errungen hatten als Mexikaner
und Inder zusammen. Augenzwinkern: »Wir können alles. Außer Mittelmaß.« Ende der
Rede, es wurde höflich geklatscht, und ich freute mich schon auf die Häppchen danach.
    »Bei meinem
letzten Empfang«, flüsterte ich Katinka zu, »habe ich mehr Canapés verdrückt als
alle anwesenden Mexikaner und Inder zusammen.«
    Keine Reaktion.
    »Aber da
gab es auch keine Konkurrenz aus dem Gewichtheberlager.«
    »Mach uns
keine Schande«, murmelte sie.
    Abgesehen
von den Häppchen, die schließlich von irgendwem gegessen werden mussten, war meine
Anwesenheit bei dem Termin im Heidelberger Rathaus natürlich komplett überflüssig.
Katinka hätte auch ihren Mann oder ihre Kinder mit zu dem Empfang bringen können.
Schon optisch hätte das mehr hergemacht. Es war Dr. Eichelscheid, der mich gebeten
hatte zu kommen: um die vor Wochenfrist verpasste Gelegenheit zum Gespräch unter
sechs Augen nachzuholen.
    »Also, wenn
es ums Beschnuppern geht«, sagte ich, »das haben wir bereits erledigt, Frau Glück
und ich.«
    Aber er
hatte wohl das Gefühl, ohne ihn gehe es nicht, zumal bei einer derart heiklen Angelegenheit,
und so spielte ich brav den Grüßaugust, grinste in das Auge der Pressekameras und
hoffte, dass ich meinen Hosenlatz richtig zugemacht hatte.
    »Dann haben
Sie sich also schon aneinander gewöhnt, Sie beide«, eröffnete der Banker gut gelaunt
die Unterhaltung. Kollege Harboth stand bei der Entourage des

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