Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)
wirklich
überzeugend.«
»Dass man
so lange Beine haben kann«, murmelte Christine versonnen, und ich schämte mich ein
bisschen für die sportfernen Kommentare meiner Ex.
»Von Birthe
hätte ich ehrlich gesagt mehr erwartet«, fuhr Katinka fort. »Ihre Zeit ist nicht
schlecht, aber dass sie von der Britin noch abgefangen wurde, war überflüssig.«
Ich meldete
mich. »Apropos: Die Engländerinnen waren auch stark.«
»Sehr stark«,
nickte Katinka.
»Verdächtig
stark?«
Sie schüttelte
den Kopf. »Alles im Rahmen. Aber hättet ihr gedacht, dass die Läuferinnen aus ███████ [1] derart auftrumpfen?«
Wir verneinten
synchron. Ausgerechnet die! Mit denen konnte keiner rechnen. Es sei denn, man war
Mitglied eines international operierenden Wettsyndikats, dann vielleicht … Vielleicht!
»Sämtliche
Dopingproben im olympischen Marathonwettbewerb der Frauen fielen übrigens negativ
aus«, erklärte Katinka und erntete erstaunte Blicke.
»Fielen?«
Heiner zeigte zum Fernseher. »Er läuft doch noch.«
Sie lächelte
mild. »Ich kenne die Pressemeldung schon.«
»Ach so.«
Katinka
stützte sich mit dem Ellbogen auf die Sessellehne. »Habe ich dir erzählt, Max, dass
ich wieder mit dem Studium anfange? Medizin, ab Oktober.«
»Hier in
Heidelberg?«
»Ja.«
»Na, Glückwunsch!
Dann können wir ja wieder ab und zu eine Ausfahrt unternehmen. Wobei die heutigen
Studenten kaum noch Freizeit haben, heißt es. Immer Klausuren und Referate und Praktika
…«
»Praktika«,
nickte Heiner Glück. »In Fionas Kindergarten gibt es eine Praktikantin – die ist
noch zu jung zum Studieren, und ein Praktikum macht sie auch nicht, sondern wurde
vom Gericht dazu verdonnert, Sozialarbeit zu leisten. Jedenfalls liebt Fiona sie
heiß und innig.«
Ich horchte
auf. »Kennst du den Namen des Mädchens?«
»Sie heißt
Fischer«, sagte Katinka, »und ihr Onkel soll ein hohes Tier bei der Heidelberger
Polizei sein.«
»So? Na
dann. Nettes Mädchen übrigens, eure Fiona.«
Christine
lachte.
»Was ist?«,
fuhr ich sie an. »Hab ich was Falsches gesagt?«
Sie schüttelte
den Kopf. »Ganz im Gegenteil.«
Katinka
beschied uns ruhig zu sein. Ich streckte meiner Exfrau die Zunge raus, dann schaute
ich zum Fernseher hinüber. Ein Kommentator sprach von einer ordentlichen Leistung
des deutschen Marathonteams, vor allem wenn man berücksichtigte, dass zwei der stärksten
Deutschen, Romy Feierabend und Katinka Glück, nicht am Start hätten sein können.
Aus den unterschiedlichsten Gründen. Anschließend ließ sich ein Experte darüber
aus, was hätte geschehen können, wenn und falls. »Aber es ist nun mal so«, schloss
er fröhlich. »Jammern hilft nichts.«
Katinka
drehte den Ton leiser. »Habe ich euch erzählt, warum Romy auf London verzichtet
hat? Nein? Ganz einfach: Letzte Woche lief sie einen Marathon in Südafrika. In einer
Bombenzeit übrigens. Ich habe mit ihr telefoniert. Das Angebot war so lukrativ,
sagt sie, das konnte sie einfach nicht ausschlagen.«
»Und deshalb
schwänzt sie Olympia?«, rief ich. »Nicht zu fassen! Also, diese Frau ist für mich
gestorben.«
»Soll sie
vielleicht auf das Geld verzichten? Sie ist Mitte 30 und will endlich Kinder, sagt
sie. Da kann sie die Kohle gut gebrauchen.« Katinka griff zu Heiners Whiskyglas.
»Meinen Segen hat sie.«
Mechanisch
prostete ich ihr zu. Die Marathonübertragung aus London neigte sich ihrem Ende zu.
Ein Sponsor nach dem anderen wurde eingeblendet. Auf das Logo der Deutschen Bank
wartete ich vergebens. Der Smart stand noch vorm Haus der Glücks. Aber nicht mehr
lange. Und bei Dr. Eichelscheid konnte Katinka auch keinen neuen erbetteln, denn
Dr. Eichelscheid war nicht mehr bei der Bank beschäftigt. Sie hatten ihm fristlos
gekündigt, weil irgendwelche Zahlen nicht stimmten. Sein Nachfolger, ein Inder,
sollte ein ganz harter Hund sein. Wenigstens die in Bangalore oder Kalkutta konnten
sich jetzt freuen.
Eine Katze
kam ins Wohnzimmer geschlichen und schmiegte sich an Christines Bein.
»Neu?«,
fragte meine Exfrau.
Katinka
nickte. »So anhänglich wie Nanuschka ist sie noch nicht, aber die Kinder sind ganz
selig.«
»Und das
ist das Wichtigste«, gähnte Heiner.
Ich hielt
ihm mein leeres Whiskyglas hin. Als es sich füllte, kam mir der alte Song von Arlo
Guthrie wieder in den Sinn:
You can get anything you want
at Alice’s restaurant …
Excepting Alice!
E N D E
Marcus
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