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Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Titel: Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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überstanden?«
    Eichelscheid
nickte, war aber mit der Aufmerksamkeit schon beim Oberbürgermeister, der winkend
auf ihn zukam. Gleich darauf standen beide im Kreise wichtiger Herrschaften am Nebentisch,
Harboth war anderweitig gefragt. Ich drückte mich noch eine Weile unschlüssig im
Saal herum, dann zog ich meinen Mantel über und verließ das Rathaus. Es war ein
klarer, kalter Tag. Ich lehnte mich an die Mauer des Gebäudes, wandte mein Gesicht
der blassen Wintersonne zu und ließ den Blick über den Marktplatz schweifen.
    Zehn Minuten
später kam Katinka. Allein. Als sie mich sah, blieb sie stehen.
    »Hast du
auf mich gewartet?«
    »Hör zu«,
sagte ich und stieß mich von der Mauer ab. »Du musst das mit mir nicht auf Teufel
komm raus durchziehen. Niemand zwingt dich. Und Rücksicht auf mich musst du auch
nicht nehmen. Aber wenn dir mein Gesicht oder mein Geschwätz nicht passt, sag es
lieber gleich. Harboth und Eichelscheid werden schon einen Ersatz für mich finden.«
    Sie sah
mich groß an.
    »Und wegen
mir mach dir mal keine Gedanken«, fuhr ich fort. »Die Konjunkturprognosen für uns
Privatdetektive sind blendend, heißt es, ich werde mich vor Anfragen kaum retten
können. Es geht nur um dich: Falls du es nicht mehr aushältst, mit mir durch den
Wald zu rennen, dann lass uns jetzt zu Dr. Eichelscheid zurückgehen und einen Schlussstrich
unter die Sache ziehen. Verstehst du? Jetzt.«
    Noch immer
machte sie große grüne Kulleraugen. Dann stotterte sie: »Wie kommst du denn darauf?«
    »Wie ich
darauf komme?« Verdammt, was sollte dieses Versteckspiel? Sie wusste doch genau,
was ich meinte! »Wir zwei sind keine fünf Minuten zusammen unterwegs, da erzählst
du mir, dass du lieber allein trainierst und dass ich gegen deinen Willen engagiert
wurde.«
    »Das stimmt
ja auch«, rief sie hastig. »Ich wollte, dass du es weißt.«
    »Oh, danke,
sehr verbunden. Und gerade eben, unter Zeugen«, ich äffte sie nach: »Wie lange muss
ich es noch mit diesem Typen aushalten, Dr. Eichelscheid? Bis zum Trainingslager?
So lange? Um Gottes willen!«
    Ich rang
die Hände, verdrehte theatralisch die Augen, und als ich sie wieder auf Katinka
richtete, sah ich, dass sie lächelte.
    Sie lächelte!
Das haute mich um.
    Bis zu diesem
Tag hatte ich gar nicht gewusst, dass Katinka Glück lächeln konnte!
    Sie merkte
es und wurde gleich wieder ernst. Ernst und hart: so, wie sie immer war. »Vergiss
das Placebo nicht«, sagte sie. Um ihren Mund zuckte es.
    »Genau«,
grummelte ich. »Das Placebo.«
    Sie sah
zu Boden, wo eine ihrer Fußspitzen über das Kopfsteinpflaster zu scharren begann.
»Der Ausdruck hat dich gekränkt, stimmt’s? Du kannst es ruhig zugeben, es war nicht
zu übersehen. Auch wenn du einen Witz darüber gemacht hast: Du warst gekränkt.«
Erneut zuckte es um ihren Mund. Sie sah nicht auf. »Das … das fand ich gut.«
    Aha. Gekränkt
sollte ich gewesen sein. War mir gar nicht aufgefallen. Dass sie das gut fand, erst
recht nicht.
    »Und was
Dr. Eichelscheid angeht«, fuhr sie rasch fort, »so wollte ich bloß von ihm wissen,
wie lange er dich engagieren will. Nicht mehr und nicht weniger. Es ging allein
um die Information. Von Aushaltenmüssen war keine Rede.«
    »Ach nein?«
    »Nein.«
Endlich sah sie auf. Blickte mir sogar kurz in die Augen, während sie nach Worten
suchte. »Wenn ich ehrlich bin, kann ich dich … Ja, ich glaube, ich habe mich schon
an deine Anwesenheit gewöhnt.«
    »Gewöhnt!«,
knurrte ich. »Na danke.« Dieselbe Vokabel wie bei dem Bankfritzen!
    »Du bist
wirklich schnell beleidigt«, stellte sie fest, und wieder huschte ein kleines Lächeln
über ihr Gesicht. »Dabei standen die Chancen, dass ich mit einem Leibwächter zurechtkomme,
den Harboth und Eichelscheid aussuchen, eins zu vier. Höchstens. Und jetzt …« Sie
machte eine Pause, während der ihre Augen wieder rund und groß wurden wie zuvor
und ihre Miene starr. Ihre Gesichtszüge vereisten regelrecht.
    »Und jetzt?«,
fragte ich bereitwillig.
    »Jetzt freue
ich mich auf unser nächstes Training«, presste sie hervor.
    Schweigend
starrte ich sie an.
    Dann atmete
sie aus. Ihre Gesichtsmuskulatur lockerte sich. »Aber am Berg musst du noch besser
werden, verstanden?«
    Weg war
sie. Ohne Abschied, ohne Blick über die Schulter. Und ich stand vor dem Rathaus
und hatte jede Menge nachzudenken.
     
     
     
     

5
     
    Im Laufe der nächsten Wochen lernte
ich Katinkas Mann kennen, ihre zwei Sprösslinge, ihre Katze sowie ihre

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