Gluecksstern mit Schwips
Er klingt völlig selbstverständlich, wie er das sagt.
Und da ist es wieder – das kleine Jim -Paralleluniversum. Fast hatte ich vergessen, dass Jim immer noch von sich glaubt, ein Flaschengeist zu sein. „Du meinst, es ist schon ein paar Jahre her“, verbessere ich ihn. „Wie sehen denn die Städte bei euch aus?“
„Ganz anders als eure. Unsere Häuser sind nicht so hoch und modern. Es gibt nur wenige Bäume dort, wo ich herkomme. Aber dafür haben wir die Wüste mit ihren unendlichen Dünen.“
„Wie ist es denn in deiner Heimat ... äh Hala- Balama?“, frage ich neugierig. An den Namen kann ich mich einfach nicht gewöhnen.
„Die Wüste bestimmt das Leben der Bewohner. Tagsüber ist es heiß , und die Menschen suchen deshalb die Kühle in ihren Behausungen. Erst am Abend, wenn die Sonne versinkt, wird es kälter, und die Menschen kommen aus ihren Häusern heraus. Die Männer sitzen in Gruppen, rauchen Wasserpfeife, während sich die Frauen auf dem Markt treffen, um Neuigkeiten miteinander auszutauschen.“
Ich sehe Jim vor mir, wie er auf einem schwarzen Hengst über die Sanddünen in Richtung Stadt reitet. Das dunkle Haar flatter t im heißen Wüstenwind ... Halt! Ich bin so ein schwacher Mensch.
I ch räuspere mich. „Das klingt tatsächlich anders. Es ist bestimmt schön da, wo du wohnst?!“
„Ja!“ Ein Lächeln huscht über Jims Gesicht. „Ich vermisse die Berge der Wüste und die Weite des Landes. Hier bei euch ist alles so eng und voll.“
„Das stimmt“, seufze ich. „Aber, wenn man ein bisschen aus der Stadt herausfährt, wird es gleich ruhiger. Dort, wo meine Eltern wohnen, ist es ziemlich einsam. Da sagen sich Fuchs und Hase noch Gute Nacht.“
„Deine Mutter hat vorhin durch das Ding, das du Telefon nennst , mit mir gesprochen“, erzählt Jim. „Eine äußerst gesprächige und sehr nette Frau.“
Was soviel bedeutet , wie: Meine Mutter hat Jim vollgequasselt und dabei mit ihm geflirtet. Das darf doch wohl nicht wahr sein!
„Warum stöhnst du, meine Wüstenblume?“
„Weil ich meine Mutter kenne. Meine Mutter ist der neugierigste Mensch unter der Sonne. Das Wort Privatsphäre ist ein Fremdwort für sie! Ich hoffe nur, sie hat dich nicht mit ihren Fragen belästigt.“
„Macht dir keine Sorgen, ich fand unser Gespräch sehr nett und aufschlussreich. Sie hat mich sogar in ihr Haus eingeladen.“
Die Einladung ist mal wieder typisch. Meine Mutter brennt bestimmt darauf , Jim kennenzulernen. Aufschlussreich!? Das hört sich gar nicht gut an. „Hat sie dir etwa von meiner Schulzeit erzählt oder, wie sie mich auf einer Lammfelldecke zwischen Kristalllampen und Räucherstäbchen zur Welt gebracht hat?“
„Nein.“ Jim schüttelt lachend den Kopf. „Sie hat von sich und ihrem Leben erzählt.“
„Oh weia! Der Lügenbaron ist gegen meine Mutter ein Waisenkind“, bemerke ich trocken.
„Wie meinst du das?“
„Ach nichts!“ Ich vergesse immer wieder, dass Jim vom Land kommt und keine Ahnung von gar nichts hat.
„Ich wusste gar nicht, dass du eine so erfolgreiche Schwester ha st.“
„Ist das so?“
Die größte Leistung meiner Schwester ist die Tatsache, dass sie meine Eltern davon überzeugt hat, dass sie das Beste ist, was es gibt. Man kann sagen, dass wir beide nicht gerade das beste Verhältnis miteinander haben. Lorena war schon immer eher als flatterhaft zu bezeichnen. Während ich gleich nach dem Abitur studiert habe, ist Lorena erst einmal durch die Weltgeschichte gereist. Natürlich auf Kosten meiner Eltern. Sie wechselt ihre Männer wie andere die Unterhemden und bezeichnet Menschen wie mich als prüde und spießig.
Wir sind am Jungfernstieg angekommen. Im abendlichen Licht strahlt von Weitem das Rathaus in der Abendsonne. Ich bin immer wieder beeindruckt, wenn ich den alten Kasten sehe. Die Alster liegt dunkel glitzern d vor uns. Autos schlängeln sich durch die Innenstadt. Ein Alsterdampfer hält vor dem Lotte. Ein kühler Wind weht zu uns über das Wasser.
„Was hältst du davon, wenn wir eine Kleinigkeit essen?“ Mein Magen fängt wie au f Kommando lauthals an zu knurren. Ich muss lachen.
„Ich denke, angesichts der Geräusche, die dein Magen von sich gibt, ist das wohl keine Frage mehr“, sagt Jim und lächelt.
„Prima, ich kenne ein nettes Restaurant ganz hier in der Nähe.“
„Dein Wunsch ist mein Befehl“, antwortet er. Im Hintergrund geht langsam die Sonne unter.
„Auf diesen herrlichen und verrückten Tag.“
Wir
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