Gluecksstern mit Schwips
dem Augenwinkel.
„Das kleine Telefon, das ich immer bei mir trage.“
Kopfschütteln.
„Vergiss es“, winke ich ab. „Ist nicht wichtig!“
„Darf ich dich etwas fragen?“
„Klar, schieß los.“ Klingt nach einem Überfall. Vorsichtshalber nehme ich noch einen Schluck aus meinem Glas.
„Wie lange bist du schon mit Florian vermählt?“, fragt Jim.
„Nein, da hast du etwas falsch verstanden“, schüttele ich den Kopf. „Wir sind ein Paar, aber wir sind nicht verheiratet.“
„Was?“ Entsetzen springt aus Jims Augen. „Du teilst das Lager mit einem Mann, mit dem du nicht vermählt bist?“, fragt er mit erhobener Stimme.
Die umliegenden Gespräche stoppen abrupt. Alle starren gespannt in unsere Richtung. Mein Gesicht fühlt sich an, als wäre ein Bunsenbrenner darauf gerichtet. „ Genau. Aber könntest du bitte etwas leiser reden. Es muss ja nicht jeder mithören“, zische ich.
„Liebst du diesen Mann denn?“ Jim mustert mich aufmerksam.
„Ja, sonst wäre ich ja wohl nicht mit ihm zusammen.“
„Und du willst ihn heiraten?“
Ich habe das Gespräch in den letzten Wochen mehrfach auf das Thema Hochzeit gelenkt – leider ohne Erfolg. Als ich ihm vor Kurzem beim Frühstück die Frage gestellt habe, ob er sich vorstellen könnte zu heiraten, hat mein Traummann nur mit den Schultern gezuckt und gesagt: „Ich finde, man sollte nur heiraten, sobald man sich Kinder wünscht. Vorher sehe ich keine Notwendigkeit darin. Wir sind doch noch jung. Zum Heiraten ist noch viel Zeit.“ Damit war für ihn das Thema erledigt.
Ich meine, ich bin neunundzwanzig Jahre alt. Rein biologisch gesehen habe ich meine besten Jahre bereits hinter mir. Gestern erst habe ich eine neue Falte unter meinen Augen entdeckt, die nicht mehr verschwinden will. Heute Falten – morgen Plissee. Mit dreißig fangen die Eierstöcke einer Frau an zu schrumpeln, bis sie schließlich ihre Tätigkeit ganz einstellen. Bei dem Gedanken kann man als Frau schon mal Panik bekommen. Aber ich habe keine Lust, Florian davon zu überzeugen. Bei den meisten meiner Freundinnen waren es die Frauen, die die Initiative ergriffen und den Männern einen Heiratsantrag gemacht haben. So emanzipiert bin ich dann doch nicht. Ich möchte, dass der Mann aus freien Stücken vor mir auf die Knie geht und um meine Hand anhält.
Die Dunkelhaarige kichert leise. Ich werfe ihr einen verärgerten Blick zu, was sie allerdings nicht sonderlich zu interessieren schein, denn sie schaut weiter in unsere Richtung. Manche Menschen haben wirklich kein Gefühl für die Privatsphäre der anderen.
„Ja ... ich denke schon?“, zögere ich .
„Du weißt nicht, ob er dich heiraten will und trotzdem gibst du dich ihm hin?“
„Florian liebt mich, und wenn die Zeit gekommen ist, wird er mich schon fragen.“ Ich leere mein Glas in einem Zug. „Außerdem gebe ich mich ihm nicht hin ... das ist eine beidseitige Sache bei uns.“
„Dann hat er dir gesagt, dass er dich liebt?“
„Ja ... nein. Er braucht es mir nicht zu sagen, eine Frau spürt das“, beharre ich.
„Ein Mann sollte einer Frau zeigen, dass er sie liebt. Er sollte sie mit Geschenken überhäufen, Lieder auf sie singen und sie in Gedichten huldigen und ihr somit täglich aufs Neue seine Liebe zeigen.“
„Oh, wie süß!“, seufzt die Dunkelhaarige leise. Sie wirft Jim schmachtende Blicke zu.
Ich werfe ihr einen genervten Blick zu. „Jim, das mag bei euch so sein, aber hier bei uns laufen die Dinge etwas anders. Wir leben in einer modernen Gesellschaft, wo Paare auch ohne Trauschein zusammenleben. Die Vorstellung, zu heiraten und Kinder zu bekommen, gilt bei vielen Menschen als veraltet.“
„Wie unromantisch“, kommentiert Jim.
„Vielleicht. Ich würde es als realistisch bezeichnen. Als ich ein kleines Mädchen war, habe ich immer davon geträumt, mal ganz romantisch zu heiraten. So mit einem weißen, langen Kleid und ganz vielen Blumen im Haar. Aber das sind eben alles nur Träume und Wünsche. Das Leben ist nicht romantisch, sondern besteht aus knallharten Fakten. Man muss Entscheidungen treffen und die Verantwortung dafür tragen. Im Beruf und in der Liebe. Ich kenne keine Ehe in meinem Bekanntenkreis, die glücklich ist. Tatsächlich ist die Hälfte davon längst wieder geschieden. Und alle haben einmal aus Liebe geheiratet.“
Jim sieht mich schweigend an.
„Was meinst du, wollen wir gehen?“ Ich deute auf mein leeres Glas. Der schöne Moment ist vorbei. Der Sekt in meinem Glas
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